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Wie aus Mäuse-Mamas Rabenmütter werden
Baku, den 18. September (AZERTAG). Nur ein Gen sorgt dafür, dass sich Mäuseweibchen um ihren Nachwuchs kümmern. Wird es ausgeschaltet, lösen sich die Muttergefühle in Luft auf.
Die verringerte Aktivität eines einzelnen Gens kann aus Mäuseweibchen Rabenmütter machen. Das berichten Forscher in den “Proceedings” der US-Akademie der Wissenschaften (“PNAS”). Die Neurowissenschaftler um Ana Ribeiro von der Rockefeller University in New York hatten die Aktivität des sogenannten ERα-Gens beeinflusst, indem sie kurze Erbgut-Abschnitte mithilfe von Viren in Nervenzellen einschleusten.
Die untersuchten Mäuseweibchen zeigten anschließend ein völlig verändertes Verhalten ihrem Nachwuchs gegenüber: Sie vernachlässigten die Jungen, ließen sich deutlich mehr Zeit als Kontrollmäuse bis sie auf deren Bedürfnisse reagierten, und fütterten und leckten sie kaum noch.
Jedes Gen steuert ein ganz spezielles Verhalten-Andere typische mütterliche Verhaltensweisen aber, etwa aggressives Abwehren von männlichen Eindringlingen, blieben dagegen überraschenderweise erhalten, schreiben die Wissenschaftler. Die Forscher vermuten deshalb, dass nicht nur dieses, sondern auch andere einzelne Gene in einer bestimmten Neuronengruppe ganz spezielle Verhaltensweisen steuern können, ohne nahe liegende Verhaltensweisen zu beeinflussen.
Das ERα-Gen ist wichtig, um den Östrogen-Haushalt der Mäuse zu steuern. Aus früheren Versuchen mit Ratten war bereits bekannt gewesen, dass Weibchen ohne funktionierendes ERα-Gen ein gestörtes Sexual- und Aufzuchtverhalten entwickeln und häufig “verkindlichen”.
Ein Zentrum des Östrogen-Haushaltes-Ein wichtiges Steuerzentrum des Sexualverhaltens bei Mäusen ist das Präoptische Areal (POA) - ein Grund, warum die Forscher die Genaktivität gerade in diesem Gehirnareal manipulierten. Das POA spielt unter anderem eine Rolle bei der Fortbewegung, dem Sexualverhalten, mütterlicher Fürsorge und Aggression. “Wurde ERα im präoptischen Areal unterdrückt, verschwand die mütterliche Fürsorge nahezu vollständig”, schreiben die Forscher.
Außerdem waren die weiblichen Mäuse weniger sexuell aktiv und verhielten sich aggressiver gegenüber alle Männchen, die sich ihnen oder dem Nachwuchs näherten. Und auch bei den Männchen spielt das ERα-Gen eine wichtige Rolle. Ist es ausgeschaltet, zeigen die Tiere nur geringes bis kein Interesse am anderen Geschlecht, und lassen die Mäusedamen links liegen.