WIRTSCHAFT
Chinas Stahlindustrie jetzt auch unter dem Kampf gegen den Smog
Baku, den 25. Februar (AZERTAG). Nach einbrechender Nachfrage und knappen Krediten leidet Chinas Stahlindustrie jetzt auch unter dem Kampf gegen den Smog. Die ohnehin kriselnde Branche wurde von der Regierung zur Begrenzung der Produktion verdonnert. Dabei taugen die Stahlkocher nur bedingt als Sündenbock für die Umweltprobleme.
Gutes Zureden, drängendes Fordern und drakonische Strafandrohungen - mit allen Mitteln hatte die chinesische Regierung im vergangenen Jahr vor aller Öffentlichkeit für mehr Umweltschutz in den Regionen geworben. Seit einer Woche nun erfahren die Bürger im Norden und Osten des Riesenreichs, was dabei herausgekommen ist: nichts. Der Smog hält große Teile des Landes im Würgegriff.
Immer mehr Patienten müssen mit Atemwegs- und Augenproblemen ins Krankenhaus. In Peking wurde zu Wochenbeginn die zweithöchste Alarmstufe „Orange“ den vierten Tag in Folge aufrechterhalten. Die Schadstoffbelastung verharre auf einem „gefährlich“ hohen Niveau, warnten die Behörden. Auch die Provinzen Hebei, Shandong, Henan, Shanxi und Shaanxi leiden unter der schweren Luftverschmutzung.
Speziell Hebei haben die Parteioberen schon länger im Blick, weil dort Industriebetriebe neben Stahl auch tonnenweise Feinstaub produzieren und in die Luft pusten, der dann ins nahegelegene Peking hinüberschwebt. Im vergangenen Jahr verdonnerten sie deswegen die Bezirksregierung, die Produktion zu begrenzen. Man einigte sich auf einen Maximalausstoß von 86 Millionen Tonnen - das sind gerade noch rund 35 Prozent Prozent von dem, was die Fabriken ausspucken könnten.
Stahlwerke im Verdacht - Angesichts des ätzenden Nebels in den Straßen von Peking fiel der Verdacht sogleich auf die Nachbarprovinz und ihre Stahlwerke - doch er erwies sich als haltlos. Bei Kontrollen vor Ort stellte sich heraus, dass eine weit größere Zahl von Betrieben die Produktion bereits eingestellt hatte als eigentlich gefordert worden war.
Grund ist allerdings weniger ein gewachsenes Bewusstsein für den Umweltschutz in China. Die meisten Stahlkocher mussten ihre Hochöfen vielmehr abschalten, weil sie keine Käufer mehr fanden oder angesichts des Preisverfalls nicht mehr rentabel produzieren können. Die strengen Richtlinien für die Kreditaufnahme hätten ein Übriges dazu beigetragen, dass viele Unternehmen bereits bankrott seien, erklärt Xu Zhongbu, Chef des Beratungsunternehmens Beijing Metal Consulting. Was derzeit passiere, sei deshalb reine Augenwischerei. „Die Kontrolleure schließen Unternehmen, die bereits tot sind.“
Tangshan zum Beispiel, eine Sieben-Millionen-Stadt, die in ihren besten Zeiten mehr Stahl produzierte, als alle Hütten in den USA zusammen, gleicht inzwischen fast einer Geisterstadt. Die Arbeiter traten im Oktober 2013 in den Streik - und kehrten danach erst gar nicht an ihre Arbeitsplätze zurück.
Nach Überzeugung von Huang Wei von der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat es sich die Regierung mit der Konzentration auf die Stahlindustrie denn auch allzu leicht gemacht. Viel effektiver wäre es gewesen, die Abhängigkeit der gesamten Region von der Kohle zu reduzieren. Doch diese Aufgabe wäre weit schwieriger zu bewältigen gewesen, als Auflagen für eine Industrie, die ohnehin Kapazitäten abbauen müsse.