WELT
Kenia: Auf Straßen sprengt Polizei kleinste Proteste- immer wieder gibt es Tote
Baku, 25. Oktober, AZERTAC
Zwei junge Männer halten eine zwei Meter lange Gewehrpatrone aus Styropor hoch. Kupferfarben ist das riesige Projektil und mit roter Farbe besprenkelt, die Blut darstellen soll. "Stop killing us", steht darauf.
Die Männer demonstrieren gegen tödliche Polizeigewalt in Kenia. Sie stellen sich auf einer Straße in Nairobi denen gegenüber, die sie kritisieren: Polizisten. Die Führerin des Polizeitrupps sagt ihnen, sie sollen verschwinden. Die Demonstranten weigern sich.
Dann tun die Polizisten genau das, was ihnen vorgeworfen wird: Einer stößt den Aktivisten Boniface Mwangi hart gegen die Brust und damit einen Meter zurück. Er hebt sein Gewehr und feuert aus nächster Nähe eine Tränengaskartusche. Das zeigt dieses Video auf YouTube. Der Schütze macht nach dem Treffer auf Mwangis Brust kehrt und rennt weg, die Führerin des Polizeitrupps lacht.
Boniface Mwangi kam mit leichten Verletzungen davon. Andere hatten weniger Glück. 67 Tote - das ist die Bilanz von Menschenrechtsgruppen nach der gescheiterten Präsidentschaftswahl vom 8. August. Fast alle starben in Kenias Hochburgen der Opposition, in den Slums Mathare und Dandora etwa oder im westkenianischen Kisumu und bei Protesten gegen die Wahlkommission.
Manche starben durch Schüsse in Bauch oder Kopf, manche durch Querschläger. Einige aber eben auch durch Treffer von Tränengaspatronen, wie sie Mwangi niederstreckte. Wieder andere wurden mit Schlagstöcken und Gewehrkolben totgeprügelt. Amnesty Kenya und Human Rights Watch haben die Fälle recherchiert.
Die Polizei gab zu den Vorfällen zu Protokoll, sie sei mit Steinen beworfen worden. Das dürfte in vielen Fällen stimmen. Aber ihre Reaktion ist unangemessen. Mit Sturmgewehren in den schmalen Wellblechgassen der Slums scharf zu schießen - das geschieht nur auf Befehl, Tote werden in Kauf genommen. Von offizieller Stelle eingeräumt sind nur Einzelfälle, wie von Stephanie Moraa, 9 Jahre, die auf dem Balkon ihres Hauses in die Brust getroffen wurde und starb.