GESELLSCHAFT
Bakterien reagieren nicht mehr auf Antibiotika
Baku, 20. Mai, AZERTAC
Dass Bakterien nicht mehr auf Antibiotika reagieren, ist ein wachsendes Problem. Forscher stellen einen Zehn-Punkte-Plan vor, um es anzugehen - sonst droht aus ihrer Sicht ein Schreckensszenario.
Britische Forscher haben zum weltweiten Kampf gegen resistente Keime aufgerufen. Schon jetzt sterben jedes Jahr schätzungsweise 700.000 Menschen an Infektionen mit Krankheitserregern, gegen die keine Medikamente helfen. Bis zum Jahr 2050 könne sich diese Zahl mehr als verzehnfachen, heißt es in dem Bericht, den die Regierung Großbritanniens in Auftrag gegeben hat.
In dem Report geht es auch um Erreger wie HIV und die Malaria auslösenden Parasiten, die zum Teil gegen die verfügbaren Medikamente unempfindlich werden. Ein besonderes Augenmerk liegt aber auf multiresistenten Bakterien, die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen.
Sollten Antibiotika durch die Resistenz ihre Wirksamkeit verlieren, könnten wichtige medizinische Verfahren wie Kaiserschnitte, Transplantationen und andere chirurgische Eingriffe zu gefährlich werden, so die Forscher.
Im Jahr 2050, so ihre Schätzung, könnten durch Infektionen durch resistente Keime Kosten von bis zu 90 Billionen Euro entstehen.
Zehn Maßnahmen - Das Team um den britischen Ökonomen Jim O'Neill fordert in einem Zehn-Punkte-Programm unter anderem, den Gebrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft weltweit einzuschränken und alle Resistenzen stärker zu überwachen. Nötig sei zudem ein weltweiter Fonds, der die Entwicklung neuer Antibiotika fördert.
Ein aus ihrer Sicht notwendiger globaler Bund im Kampf gegen Resistenzen könne mithilfe der G20-Staaten und der Vereinten Nationen entstehen. Die Diagnostik von Krankheiten müsse verbessert werden. Ebenso sei es wichtig, die Entwicklung von Impfstoffen zu fördern.
Die Industrie brauche zudem bessere Anreize, neue Antibiotika zu entwickeln, fordern die Forscher. Zurzeit lohne sich deren Entwicklung kaum, es sei also nicht verwunderlich, dass Unternehmen trotz des hohen medizinischen Bedarfs wenig in diesen Bereich investieren.
O'Neill sprach allerdings nicht nur davon, Konzerne zu belohnen. Denjenigen, die sich nicht um das Entwickeln neuer Antibiotika kümmern, solle man Strafgebühren auferlegen.
Verschwendung beenden - Riesige Mengen von Antibiotika und anderer antimikrobieller Medikamente würden weltweit an Menschen und Tieren verschwendet, die diese nicht bräuchten, heißt es weiter. "Wir müssen auf verschiedenen Wegen auf der ganzen Welt darüber informieren, warum es entscheidend ist, dass wir aufhören, unsere Antibiotika wie Süßigkeiten zu behandeln", sagte O'Neill der BBC. "Wenn wir das Problem nicht lösen, steuern wir auf das Mittelalter zu."
Seit Anfang des Monats müssen in Deutschland resistente Erreger umgehend gemeldet werden, sobald sie nachgewiesen werden. Zuvor waren die Keime erst beim Krankheitsausbruch angezeigt worden.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen nannte den Report einen "ersten Schritt in die richtigen Richtung", er reiche aber nicht aus. Vor allem sollten Medikamente für mehr Menschen bezahlbar werden. "Das derzeitige Innovationssystem trägt nicht zur Entwicklung und Bereitstellung der Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente bei, die wir eigentlich bräuchten", sagte Marco Alves, Medikamentenexperte der Organisation. "Und wenn es doch welche gibt, sind sie oft unbezahlbar oder für den Gebrauch in Entwicklungsländern nicht geeignet."