WELT
Bauern kämpfen gegen Wal-Mart und Gen-Food
Baku, den 17. Dezember (AZERTAG). Indien wächst und hungert. Die Regierung bekommt die bald größte Bevölkerung der Welt nicht satt. Jetzt sollen ausländische Unternehmen die Ernährung des Boomlandes sicherstellen. Doch der Widerstand gegen Weltkonzene wie Wal-Mart, Tesco und Syngenta ist groß.
An sechs Tagen in der Woche öffnet Radhish seinen kleinen Kiosk in Indiens drittgrößter Stadt Bangalore. Auf den Straßen herrscht reger Betrieb, Rikschas fahren hupend vorbei, Männer stehen rauchend auf dem Bürgersteig, Frauen tragen Obst und Gemüse nach Hause. Doch abgesehen von kleinen Chipstüten und Päckchen mit asiatischen Instantnudeln ist Radhishs Laden leer: keine Ware, keine Käufer. Erst in ein paar Tagen sollen neue Lieferungen kommen, wann genau, weiß er nicht.
Radhishs Kunden sind Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, Familien mit einem Monatseinkommen unter 50 Euro. Ein Viertel der Gesamtbevölkerung, 300 Millionen Inder, erhalten in Läden wie diesen Reis, Weizen, Zucker und Kerosin zu vergünstigten Preisen. Auch Rita wartet auf den nächsten Einkauf bei Radhish. Seit 18 Jahren kauft die 43-Jährige hier mit ihrer Lebensmittelkarte von der Regierung einmal im Monat für ihre dreiköpfige Familie ein. Warum sich die Preise für Lebensmittel in anderen Geschäften in den vergangenen Jahren zum Teil verdoppelt haben, weiß sie nicht.
Indiens Bevölkerung, Wirtschaft und Konsum wachsen rasant und weitaus schneller als die Lebensmittelproduktion. Im Jahr 2025 soll Indien laut Prognosen mehr Einwohner haben als China, doch schon jetzt schafft es das Land nicht, seine 1,2 Milliarden Menschen satt zu kriegen: In keinem Land hungern so viele Menschen, nach Unicef-Berechnungen leben 42 Prozent aller weltweit untergewichtigen Kinder unter fünf Jahren in Indien. Die Welthungerhilfe spricht in ihrem aktuellen Index von einer „sehr ernsten“ Situation und stuft das Land damit in dieselbe Kategorie ein wie Äthiopien und Kambodscha.
„Die Regierung weiß, dass Indien eine neue grüne Revolution braucht“, sagt Abhay Laijawala, Leiter der Forschungsabteilung bei der Deutschen Bank in Mumbai. Die erste grüne Revolution fand in den sechziger Jahren statt, der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln steigerte die Erträge. Doch den Hunger hat man nicht besiegt. Landflucht, Mangel an mechanisierter Landwirtschaft und Wasserknappheit sind bis heute Probleme des indischen Agrarsektors. Der typische Bauer erntet auf seinem kleinen Grundstück gerade mal so viel, dass es für die Familie und vielleicht ein paar Verkäufe auf dem lokalen Markt reicht.