GESELLSCHAFT
Ernährung mit vielen Kohlenhydraten könnte den Verlauf der tödlichen Nervenerkrankung abmildern
Baku, den 1. März (AZERTAG). In einer Studie milderte eine kalorienreiche Ernährung bei Betroffenen ihre Nervenerkrankung. Muskelschmerzen, Hautausschläge oder Lungenentzündungen traten seltener auf. Wie aussagekräftig ist sie?
Eine Ernährung mit vielen Kohlenhydraten könnte den Verlauf der tödlichen Nervenerkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) abmildern. Bei einer Studie mit 20 Patienten untersuchten US-Wissenschaftler die Auswirkungen von verschiedenen Ernährungsformen auf die Kranken, wie es in einem am Freitag im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Artikel heißt. Dabei schnitt eine Ernährung mit vielen Kohlenhydraten am besten ab. Angesichts der kleinen Zahl von Versuchsteilnehmern müssen nun aber weitere Tests zeigen, ob sich die Erkenntnisse verallgemeinern lassen.
Die Nervenkrankheit ALS, auch als Lou-Gehrig-Syndrom bekannt, trifft Nervenzellen, die für die Steuerung der Skelettmuskulatur verantwortlich sind. Patienten werden müde und schwach und verlieren die Kraft, sich zu bewegen und letztlich auch zu atmen. Auch essen fällt den Erkrankten schwer, sie müssen schließlich über eine Magensonde ernährt werden. Im Schnitt sterben Patienten drei Jahre nach der Diagnose.
Forscher vermuten, dass Patienten früher sterben, wenn sie Gewicht verlieren. Versuche mit Mäusen zeigten bereits, dass diejenigen Tiere länger lebten, die eine kalorienreiche Nahrung mit vielen Fetten erhielten.
Wissenschaftler aus den USA untersuchten nun bei 20 Patienten mit fortgeschrittener ALS, die bereits über eine Magensonde ernährt werden mussten, drei Ernährungsformen. Eine Kontrollgruppe erhielt so viele Kalorien, dass das Gewicht der Patienten eigentlich stabil bleiben sollte. Bei den anderen beiden Gruppen erhielten die Patienten 125 Prozent der Kalorien, die für ein Beibehalten des Gewichts nötig sind. Bei einer dieser Gruppen war die Ernährung besonders fetthaltig, bei der anderen besonders kohlenhydrathaltig.
Der Versuch lief über vier Monate, die Patienten wurden dann noch über fünf Monate beobachtet. Den Patienten aus der Gruppe mit der besonders kohlenhydratreichen Ernährung ging es in der Zeit deutlich besser als den der anderen beiden Gruppen. Sie litten seltener unter Muskelschmerzen, Hautausschlägen oder auch Lungenentzündungen. Aus dieser Gruppe starb in den fünf Monaten nach der Sonderdiät niemand, aus der Gruppe mit der besonders fetthaltigen Ernährung starb ein Patient, aus der Kontrollgruppe starben drei Patienten.
Auch bei der Entwicklung des Körpergewichts gab es je nach Ernährungsform deutliche Unterschiede: Die Patienten der Gruppe mit der besonders kohlenhydratreichen Ernährung nahmen im Schnitt um 390 Gramm pro Monat zu, während die Patienten der Kontrollgruppe um 110 Gramm pro Monat zunahmen. Die Patienten mit der besonders fetthaltigen Ernährung nahmen sogar ab, sie verloren pro Monat im Schnitt 460 Gramm Körpergewicht.
Wegen der kleinen Zahl der Versuchsteilnehmer ist die Studie nur bedingt aussagekräftig. Auch war vor allem darauf geschaut worden, ob eine Umstellung der Ernährung für die Patienten gefahrlos möglich ist, und nicht, welche Auswirkungen die Umstellung hat.
„Diese Pilotstudie zeigt, wie sicher eine neue, einfache und preiswerte Behandlung für diese verheerende Krankheit ist, für die es derzeit sehr wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt“, erklärte Studienleiterin Anne-Marie Wills vom Massachusetts General Hospital in Boston. „Negative Auswirkungen der Gewichtszunahme wie Diabetes oder Herzerkrankungen, wie wir sie befürchtet hatten, wurden im Studienzeitraum nicht beobachtet.“ Nun müsse es größer angelegte Studien mit Patienten geben, die ALS im Frühstadium hätten.