SPORT
Giovanni Malago schlägt Alarm
Baku, 6. Januar, AZERTAC
Nach Russland droht auch Italien der Verlust von Fahne und Hymne bei den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio. Das IOC könnte Sanktionen verhängen, falls die Politik die Autonomie des Sports weiter einschränkt.
Polit-Poker oder Olympia-Suspendierung? Noch ist nicht ganz klar, wohin Italien mit seinem heftigen Streit zwischen Sport und Politik steuert. Die Aufregung auf dem Apennin ist jedenfalls groß, Präsident Giovanni Malago vom Nationalen Olympischen Komitees CONI schlug jetzt Alarm.
"Das Risiko, ohne Hymne und Flagge nach Tokio zu fahren, ist sehr groß", sagte Malago in einem Interview mit "Radio Rai". Niemand wolle Sanktionen, das wäre beängstigend, stellte Italiens Olympia-Chef klar: "Wir hoffen, dass diejenigen, die die Verantwortung haben, noch eine Lösung finden."
Für die stolze Sportnation steht viel auf dem Spiel. Bis hin zur Suspendierung des NOK samt des Verlusts von Flagge und Hymne bei den Olympischen Spielen in Tokio scheint die Spannweite der Bestrafung zu reichen. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr zuletzt Russland, das im Dezember vom Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen Dopings für zwei Jahre von Großevents ausgeschlossen wurde, russische Athleten dürfen in Tokio allerdings unter neutraler Flagge starten.
In Italien ist der Fall etwas anders gelagert. Es geht nicht um Doping, vielmehr um Einflussnahme der Regierung in Belangen des Sports. Mit der Gründung von "Sport e Salute", einer neuen Verwaltungseinheit, wurde ein echter Konkurrent für das CONI ins Leben gerufen, der auf Wunsch der Regierung Personal und Kompetenzen übernehmen soll und das Nationale Olympische Komitee irgendwann überflüssig machen könnte.
IOC-Präsident Thomas Bach hat bereits mehrere Sitzungen mit Italiens Sportministerium geführt, doch noch immer wurde die Autonomie des Sports nicht gesichert. Malago erklärte jetzt, das IOC werde am 27. Januar über Sanktionen beraten, damit erhöhte er noch einmal massiv den Druck auf Italiens Premier Giuseppe Conte.
Bach hatte sich im September schon "sehr besorgt über die Situation und die Funktionsweise des CONI" gezeigt. Italien ist ein wichtiger Partner des IOC und steht bei den wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschobenen Tokio-Spielen (23. Juli bis 8. August) vor seiner 28. Olympia-Teilnahme. 2026 finden zudem in Mailand und Cortina d'Ampezzo Olympische Winterspiele statt.
Wie das IOC am Dienstag auf SID-Anfrage bestätigte, seien Italiens Behörden aufgefordert worden, "unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, da diese Situation seit fast zwei Jahren" bestehe. Die Vorbereitungen der italienischen Mannschaft auf die Olympischen Spiele Tokio und die Winterspiele in Peking 2022 würden durch die aktuelle Situation "ernsthaft beeinträchtigt".
Das IOC reagiert stets äußerst empfindlich, sobald sich Regierungen zu sehr in die Belange des Sports einmischen. So durften die Sportler Kuwaits bei den Olympischen Spielen 2016 nicht für ihr Land starten. Das IOC hatte Kuwait im Vorfeld wegen politischer Einflussnahme der Regierung auf sportliche Institutionen suspendiert, die kuwaitischen Sportler mussten in Rio als "unabhängige olympische Athleten" an den Start gehen.
Auch in den USA hatte sich die Politik 2018 in die Belange des Sports eingemischt. Kongress-Mitglieder hatten das Nationale Olympische und Paralympische Komitee der Vereinigten Staaten USOPC kritisiert und weitreichende Konsequenzen angedroht, da ihnen der Missbrauchsskandal im US-Turnverband nicht genügend aufgeklärt worden war.
Zum großen Knall kam es am Ende nicht. Eine Rolle dürfte dabei gespielt haben, dass das IOC Ärger mit den USA nicht um alles in der Welt forcieren will. Schließlich hält man wichtige Geschäftsbeziehungen mit großen US-Unternehmen. So zahlte allein das Medienunternehmen NBC für die Übertragungsrechte der Spiele im Zeitraum 2021 bis 2032 die stolze Summe von 5,5 Milliarden Euro. Auch kommen wichtige Sponsoren wie Coca Cola oder Visa aus den USA.