WELT
Niedrigster Ort der Welt
Baku, 13. Dezember, AZERTAC
An einer Zufahrt zum Toten Meer steht ein großes Schild in Form eines Pfeils. "Niedrigster Ort der Welt", steht dort. Doch die vermeintliche Touristenattraktion ist eine Mogelpackung: Der tiefste Punkt auf einer Kontinentalplatte liegt keineswegs am Toten Meer, sondern in der Antarktis.
Die Schlucht unter dem sogenannten Denman-Gletscher ist 3,5 Kilometer tief, berichten Forscher im Fachblatt "Nature Geoscience". Zum Vergleich: Der tiefste Punkt am Toten Meer liegt gerade einmal 413 Meter unter dem Meeresspiegel.
Für die Studie haben die Forscher bekannte Daten zur Eisdicke, aus Radarsondierungen und Echolotmessungen zusammengetragen. Heraus kam eine Karte. "Das ist zweifellos das bisher genaueste Bild dessen, was sich unter der Eisdecke der Antarktis befindet", sagt Studienautor Mathieu Morlighem von der University of California.
Von Radaruntersuchungen aus den vergangenen Jahrzehnten war die Topographie der antarktischen Landmasse zwar grob bekannt. Aber aus einigen Gebieten lagen nur wenige Daten vor. Den Boden tiefer und enger Schluchten können die elektromagnetischen Wellen des Radars beispielsweise nicht erreichen, weil sie von den Nebenechos der Wände abgelenkt werden.
Viele dieser Wissenslücken konnten Morlighem und sein Team nun schließen, indem sie die Radaruntersuchungen mit Messungen zur Eisbewegung kombinierten. Wenn beispielsweise bekannt ist, wie viel Eis in ein enges Tal eindringt und wie schnell es sich bewegt, lässt sich das Volumen des Eises berechnen und damit die des Canyons, in dem das Eis steckt.
Das ist wie mit Sirup – "Auf älteren Karten sah der Canyon des Denman-Gletschers flacher aus", sagt Morlighem. Die Daten zur Eisbewegung zeigten jedoch, dass die enge Schlucht deutlich tiefer sein muss, wenn sie so viel Eis enthält. "Wir kamen auf 3.500 Meter unter dem Meeresspiegel, der tiefste Punkt an Land", sagt Morlighem. Nur in den Ozeanen gibt es Täler, die noch tiefer reichen. Der Marianengraben etwa ist bis zu 11.000 Meter tief.
Mit der Karte der Antarktis können die Forscher auch abschätzen, welche Regionen am sensibelsten auf den Klimawandel reagieren werden. Die neuen Analysen zeigen beispielsweise, dass unter einigen Gletschern hohe Kämme liegen, die die Eismassen zurückhalten. In anderen Regionen fehlen sie oder es gibt nur wenige, sodass die Eismassen dort deutlich schneller ins Rutschen geraten.
Emma Smith vom Alfred-Wegener-Institut, die ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat, vergleicht die schmelzenden Eismassen mit Sirup. "Stellen Sie sich vor, Sie gießen Sirup auf eine flache Oberfläche und beobachten, wie er nach außen fließt. Gießen Sie denselben Sirup auf eine Oberfläche mit vielen Bergen und Tälern, würde er sich ganz anders ausbreiten."