WELT
Schön für Tepco, egal für die Bevölkerung
Baku, den 16. Dezember (AZERTAG). Unter Berufung auf ausländische Nachrichtenagenturen teilt AZERTAG mit, nach den Worten der japanischen Regierung sei das havarierte AKW Fukushima Daiichi wieder unter Kontrolle. Die Situation kann jederzeit wieder kippen. Und für die Bevölkerung ist die verkündete Kaltabschaltung der Reaktoren wertlos.
Es sollte eine bedeutende Ankündigung sein. Eine, die bekräftigt, dass Japan die Situation im Griff hat. Und sie sollte zeigen, dass die Regierung in der Lage ist, ihre Versprechen zu halten. Am Freitag trat der Ministerpräsident vor die Presse.
Als ob er mit der Verkündung der frohen Botschaft nicht warten könne, gab Yoshihiko Noda zwei Stunden früher als angekündigt jenen Satz bekannt, der rasch als Eilmeldung durch die Medien ging. Das AKW Fukushima Daiichi ist wieder stabil. Der wichtige Schritt im Fahrplan, so Noda, sei damit wie vorgesehen noch vor Ende des Jahres erreicht worden.
Die Reaktoren in der havarierten Anlage befänden sich „im Zustand der Kaltabschaltung, so dass das Unglück nun unter Kontrolle ist“, sagte Noda bei dem Treffen mit der Atom-Taskforce des Landes. Diesen in Fachkreisen genannten „cold shutdown“ feiert Japans Regierung als wichtigen Durchbruch: Die Temperatur im Innern der Reaktoren ist unter 100 Grad Celsius gefallen. Damit ist das radioaktive Material in den Reaktorkammern stabil und es kann theoretisch zu keinen unkontrollierten Kettenreaktionen mehr kommen.
Experten der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) aber kritisieren den Umgang mit dem Begriff der Kaltabschaltung. Dieser sei für den Normalbetrieb vorgesehen - und nicht im Falle einer Katastrophe, erklärte der Pressesprecher. „Das suggeriert eine Normalität, die in Fukushima aber nicht gegeben ist“, sagt Sven Dokter.
In der Tat ist der „cold shutdown“ ein international feststehender Begriff, der allerdings verschiedene Definitionen hat. Die gängigste Definition sei jene, die von der amerikanischen Atomaufsichtsbehörde (NRC) vorgegeben ist, erklärt Dokter. Demnach müssen bei einer Kaltabschaltung drei Kriterien erfüllt sein:
-Die Anlage muss in einem abgeschalteten Zustand sein. Experten sprechen von „unterkrititsch“, was bedeutet, dass keine Kernspaltungen mehr stattfinden.
-Im Innern der Reaktoren darf kein erhöhter Druck herrschen (im Betrieb herrschen bis zu mehrere Dutzend bar).
-Ein bestimmtes Temperaturniveau - 100 Grad Celsius - muss im Inneren der Reaktoren unterschritten sein.
Alle drei Kriterien seien in Fukushima zwar offenbar erfüllt, so der GRS-Experte. Andernfalls müssten die von Betreiber Tepco angegeben Radioaktivitätswerte in der Anlage anders sein. Entwarnung könne man jedoch noch nicht geben.
Zuvor hatte ein Atomexperte der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 erklärt, dass die Temperaturen in den Reaktoren in Wahrheit wesentlich höher sein dürften. „Hier von Kaltabschaltung zu sprechen grenzt an eine bewusste Lüge“, sagte Reinhard Uhrig. Die geschmolzenen Brennelemente hätten sich durch den Boden der Reaktordruckbehälter durchgebrannt und lägen nun als Klumpen auf dem Boden der Umhüllung. Dort wiesen sie weiter Temperaturen von schätzungsweise 3000 Grad auf.