GESELLSCHAFT
WHO sieht Antibiotikaresistenzen als ernsthafte Bedrohung an
Baku, 22. Februar, AZERTAC
In der Tiermast bekommen Schweine und Hühner vorsorglich Antibiotika, Hausärzte verschreiben die Mittel bei Virusinfektionen wie Erkältungen, obwohl sie da gar nicht wirken.
Der hohe, mitunter überflüssige Einsatz ermöglicht es Bakterien, Resistenzen gegen die wichtigen Medikamente zu entwickeln. Meist reichen wenige Mutationen im Bakterienerbgut und die Mittel kommen im Ernstfall nicht mehr gegen die Erreger an.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht Antibiotikaresistenzen als ernsthafte Bedrohung an. 2019 hat sie einen globalen Plan gegen multiresistente Erreger veröffentlicht. Bei ihnen haben gleich mehrere Antibiotika ihre Wirkung verloren. Die Medikamente sollen laut WHO sparsamer eingesetzt werden. Ziel ist es aber auch, neue Antibiotika zu finden.
Die Forschung in dem Bereich ist mühsam. In den vergangenen Jahrzehnten gab es kaum Fortschritte. Nun weckt eine neue Studie Hoffnung: Wissenschaftler um James Collins vom Massachusetts Institute of Technology haben mithilfe künstlicher Intelligenz ein neues, vielversprechendes Antibiotikum entdeckt.
Es funktioniert nach einem vollkommen anderem Wirkprinzip als bislang bekannte antibakterielle Stoffe und tötet einige der gefährlichsten Erreger weltweit ab, darunter auch Arten, gegen die derzeit kein einziges bekanntes Antibiotikum mehr wirkt. Der neue Stoff sei wohl eines der wirksamsten Antibiotika, die bislang entdeckt wurden, sagte Collins.
Massentest mit künstlicher Intelligenz - Sein Team fütterte einen Algorithmus mit Informationen über die atomare Struktur und den Aufbau von 2500 Molekülen. 1700 davon stammten aus einer Datenbank der amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA, die bekannte Wirkstoffe enthält. Die Daten verrieten außerdem, wie zuverlässig die Moleküle das Wachstum von Escherichia coli-Bakterien (E. coli) aufhalten. Mithilfe der Informationen sollte der Algorithmus lernen, Stoffe zu erkennen, die Bakterien töten können, bekannten Antibiotika aber möglichst wenig ähneln.
Nach dem Training prüfte die künstliche Intelligenz 6000 Substanzen aus einer anderen großen Stoffdatenbank und wurde fündig: Das System sprach dem Stoff Halicin eine starke antibiotische Wirkung zu, berichten Collins und Kollegen im Fachmagazin "Cell". Ein anderer Algorithmus sagte voraus, dass menschliche Zellen das Molekül gut vertragen würden.