GESELLSCHAFT
Wie könnte H7N9 für uns hochansteckend werden? Forscher um Ron Fouchier wollen das wissen
Baku, den 9.August (AZERTAG). Wie könnte H7N9 für uns hochansteckend werden? Forscher um Ron Fouchier wollen das wissen–und planen deshalb erneut gewagte und umstrittene Experimente.
Die unter Menschen neue Vogelgrippe hat der Welt einen gehörigen Schrecken eingejagt. In China befiel der einst als harmlos eingestufte Erreger des Typs A/H7N9 seit vergangenem Winter mehr als 130 Menschen. Für 43 von ihnen endete die Infektion mit dem Tod. Mittlerweile ist die erste Welle zwar verebbt, doch die Angst bleibt: Was, wenn das Virus im Winter zurückkommt? Und was, wenn es dann noch ansteckender wird?
Das ist die wohl größte Befürchtung der Mediziner und Virologen. Bisher haben sich die Grippeerreger zwar vornehmlich unter Vögeln ausgebreitet. Doch in einigen Fällen ist es dem Erreger bereits gelungen, von Mensch zu Mensch zu springen.
Zudem besteht die Gefahr, dass das Virus weiter mutiert und sich so immer besser an den menschlichen Körper anpasst. In dieser Einschätzung ist sich die Fachwelt einig. „Die aktuellen Varianten von H7N9 sind schon recht gut erforscht, aber wenn das Virus seine Gestalt verändert, bringen uns diese Erkenntnisse nichts“, sagt der niederländische Grippeforscher Ron Fouchier. Im Fachmagazin Nature kündigen er und andere Virologen an, sogenannte „Gain of function“-Experimente, also Versuche mit genetisch veränderten Varianten des Erregers durchzuführen.
Ziel solcher Studien ist es, Mutanten des H7N9-Erregers im Labor zu erschaffen. Nicht irgendwelche Mutanten, sondern welche, die für uns Menschen gefährlich werden könnten. „Wir wissen schon aus früheren Experimenten, welche genetischen Besonderheiten Grippeviren hochinfektiös oder pathogen machen", sagt Fouchier. Genau diese Eigenschaften wollen die Forscher mit gentechnischen Mitteln in das Erbgut der H7N9-Erreger einbauen.
Welche der herbeigeführten Veränderungen im Erbgut die H7N9-Viren tatsächlich ansteckender oder gefährlicher machen, soll anschließend an Frettchen oder Meerschweinchen getestet werden. Beide Tierarten gelten als gute Modellorganismen, weil ihr Immunsystem dem menschlichen ähnelt. Wenn die Experimente gelingen, werden sich die Erreger rasant unter den Tieren ausbreiten und diese womöglich töten. Die Virologen inszenieren also gewissermaßen das Worst-Case, um – so schreiben sie – das "volle potenzielle Risiko“ einschätzen zu können, das die Viren für den Menschen darstellen.
Geplante Experimente in Fachmagazinen anzukündigen, ist eigentlich nicht üblich. Normalerweise veröffentlichen Forscher darin Erkenntnisse aus bereits abgeschlossenen Studien. Doch Fouchier ist inzwischen vorsichtig geworden, wenn es um Versuche mit gefährlichen Virusmutanten geht. Im vergangenen Jahr war es ihm gelungen, Vogelgrippeviren des Typs A/H5N1 genetisch so zu manipulieren, dass es für den Menschen ansteckend wird.
Was er als Erfolg verbuchte, versetzte die Öffentlichkeit in Panik: Medien bezeichneten die mutierten Erreger als "Superviren" und Fouchier als „Frankenstein“. Die Fachmagazine Science und Nature zögerten sogar, Fouchiers Ergebnisse zu publizieren, weil sie befürchteten, dass sie Terroristen in die Hände fallen könnten.