WELT
Amnesty International fordert US-Bundesstaat Arkansas auf, geplante Serie von Hinrichtungen zu stoppen
Baku, 14. April, AZERTAC
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den US-Bundesstaat Arkansas aufgefordert, eine ab Montag geplante Serie von Hinrichtungen zu stoppen.
Die Amerikadirektorin Erika Guevara Rosas warnte vor einem "Fließband des Todes, das kurz vor dem Anlaufen steht". Bei den insgesamt acht Todeskandidaten gebe es zahlreiche rechtliche Bedenken. Zwei von ihnen litten an psychischen Störungen und dürften daher nach internationalem Recht gar nicht hingerichtet werden.
Der US-Bundesstaat wollte vom 17. bis zum 27. April ursprünglich acht Männer töten. In einem Fall hatte ein Bundesrichter vergangene Woche entschieden, die geplante Hinrichtung auszusetzen. Der Richter stützte sich dabei auf eine Stellungnahme des Begnadigungsausschusses. Nun sollen am 17., 20. und 24. April jeweils zwei Männer hingerichtet werden und am 27. April einer.
Der republikanische Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson, will die Hinrichtungen noch in diesem Monat vollstrecken lassen, weil das Haltbarkeitsdatum des bei den Exekutionen verwendeten Medikaments Midazolam Ende April abläuft. Normalerweise wird Midazolam bei Schlafstörungen und als Betäubungsmittel bei Operationen eingesetzt.
Auch das Unternehmen Fresenius Kabi USA, eine Tochter des deutschen Pharmaunternehmens Fresenius, geht gegen die geplante Hinrichtung vor. Gemeinsam mit dem Hersteller West-Ward Pharmaceuticals beantragte Fresenius Kabi vor einem Bundesgericht, dass die eigenen Medikamente nicht verwendet werden dürfen.
Fresenius ist nach eigenen Angaben offenbar der Hersteller von Kaliumchlorid, das bei der Hinrichtung verwendet werden soll. West-Ward ist nach Recherchen der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) der Hersteller des eingesetzten Midazolam. In einer gemeinsamen Stellungnahme hieß es, die Verwendung der Medikamente laufe "dem Auftrag der Hersteller zuwider, die Leben von Patienten zu retten und zu verlängern" und berge auch finanzielle und rechtliche Risiken sowie die Gefahr der Rufschädigung.
Gefängnisvertreter in Arkansas hatten vergangenen Monat den Erwerb von neuem Kaliumchlorid verkündet. Fresenius teilte mit, man habe trotz strenger Kontrollen keinerlei Informationen über einen solchen Verkauf. "Wir können nur folgern, dass Arkansas dieses Produkt von einem unautorisierten Verkäufer erworben hat", teilte Unternehmenssprecher Matt Kuhn mit.
Beide Firmen haben nach eigenen Angaben ergebnislos versucht, bei den Behörden von Arkansas Klarheit über die verwendeten Mittel zu erhalten. Durch ein Gesetz von 2015 wird die Herkunft der verwendeten Injektionen geheim gehalten.
Ähnlicher Streit mit Nebraska - Auch im Bundesstaat Nebraska wird Kaliumchlorid von Fresenius Kabi eingesetzt. Auf Anfrage von AP teilte Kuhn mit, das Mittel sei 2015 durch "menschliches Versagen" eines Händlers bei der Gefängnisbehörde gelandet. Dies habe das Unternehmen bei einer internen Prüfung festgestellt. "Wir haben unsere Besorgnis ausgedrückt, und der Händler forderte die Rückgabe des Produkts, die nicht erfolgte."
Bis vor Kurzem war Kaliumchlorid das einzige tödliche Injektionsmittel, das Nebraskas Gefängnisbehörden besaßen. Im Januar genehmigte der republikanische Gouverneur Pete Ricketts dann eine neue Regelung, laut der die Behörden weitgehende Freiheit bei der Auswahl der verwendeten Mittel haben.
Allerdings haben die Bundesstaaten zunehmend Nachschubprobleme. Viele Pharmakonzerne wollen nicht mehr, dass mit ihren Substanzen getötet wird und weigern sich, Wirkstoffe für die Giftspritzen zu liefern. In der EU gilt ein Exportverbot für Produkte, die für Hinrichtungen oder zur Folter verwendet werden können.
Ein Sprecher des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie in Berlin sagte, die Mitgliedsfirmen des Verbandes lehnten den Einsatz von Medikamenten zur Vollstreckung von Hinrichtungen kategorisch ab. "Medikamente dienen ausschließlich therapeutischen Zwecken, sie sollen Krankheiten heilen, Schmerzen lindern oder Symptome bekämpfen."
Grisham spricht von "Hinrichtungswahnsinn" - Gegen die geplanten Hinrichtungen Arkansas wuchsen kurz vor Ostern auch in sozialen Netzwerken die Proteste. Kirchenvertreter wanden sich dagegen, in Petitionen wurde Hutchinson aufgefordert, die Exekutionen zu stoppen.
Der aus Arkansas stammende Bestsellerautor John Grisham äußerte in einem Beitrag für die Zeitung "USA Today" scharfe Kritik am "Hinrichtungswahnsinn" in seiner Heimat. Die Gründe seien absurd, schrieb er mit Blick auf den Ablauf des Haltbarkeitsdatums.
Die geplante Hinrichtungsserie widerspricht dem allgemeinen Trend in den USA. Laut Amnesty gab es 2016 in den USA 20 Hinrichtungen - so wenige wie seit 1991 nicht mehr. Arkansas hält trotz allem bislang an seinem Vorhaben fest. "Die Familien der Opfer haben lange darauf gewartet, Gerechtigkeit für ihre Lieben zu sehen", sagt ein Sprecher der Generalstaatsanwältin.