China kämpft gegen sein sich abschwächendes Wirtschaftswachstum
Baku, den 12. September (AZERTAG). Aus Sorge vor dem wirtschaftlichen Abschwung hätte China fast wieder große Konjunkturprogramme gestartet. Das hat Premierminister Li Keqiang eingestanden. Sein Alternativplan macht der Welt Sorgen.
China kämpft gegen sein sich abschwächendes Wirtschaftswachstum. Doch zur Stabilisierung plant die Regierung in Peking weder Sonderinvestitionen, noch sollen andere Programme aufgelegt werden, um die Konjunktur anzukurbeln. In der Finanzkrise 2008 vor fünf Jahren war genau das das Rezept gewesen.
Allerdings habe seine Regierung Anfang des Jahres aus Besorgnis über die Lage wieder mit diesem Gedanken gespielt, gestand Premierminister Li Keqiang jetzt in Dalian ein.
Dort findet die „Sommer-Davos“-Konferenz statt, der China-Ableger des Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF). Anfang des Jahres sei das Wachstum von 7,9 Prozent im letzten Quartal 2012 auf 7,7 Prozent und weiter auf 7,5 Prozent in den ersten beiden Quartalen 2013 gefallen, sagte Li Keqiang.
Erstmals seit Jahren sei es bei den Staatseinnahmen „unerwartet zu negativem Wachstum“ gekommen. Konfrontiert mit diesem „wirtschaftlichen Abwärtstrend“ habe die Pekinger Führung das Für und Wider kurzfristiger Stimulationen abgewogen, um das Wachstum anzutreiben. Sie habe sich dagegen entschieden, weil sich die zugrunde liegenden Probleme der Wirtschaft so nicht lösen würden.
Strukturreformen sollen helfen - Die Entscheidung, stattdessen, mit gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen die reale Wirtschaft zu stabilisieren, sei richtig gewesen, sagte Li. Dies zeige sich an den Wirtschaftsdaten, die sich seit August wieder erholenden. Peking setzt auf weitere Öffnung und vor allem auf die Durchsetzung entschiedener Strukturreformen.
Wie er das konkret anstellen will, verriet Li in seiner einstündigen, live übertragenen Eröffnungsrede vor dem drei Tage dauernden Forum nicht. In seinen Antworten auf Fragen von WEF-Gründer Klaus Schwab blieb auch unklar, wo er neue Durchbrüche mit den Reformen plant. Der Premier versuchte vor den 2000 Unternehmern und Teilnehmern Zweifel an Chinas Wirtschafts- und Finanzlage zu zerstreuen, besonders an der extremen Verschuldung der Provinzen.
Er wisse, das diese Frage von außen voller Sorgen gesehen werde, erklärte Li. Peking ergreife regulierende Maßnahmen, um in einer „geordneten Weise potenzielle Risiken“ im Fiskal- und Finanzsektor aufzulösen „Ich kann Ihnen hier mit Sicherheit sagen, dass die Lage im Ganzen sicher und beherrschbar ist“, betonte der Premier. Er blieb jedoch vage und unbestimmt, als er über künftige Reformschritte sprach.
Neue Freihandelszone geplant - Im November will Chinas Zentralkomitee in Peking eine neue Agenda und einen Zeitplan für angeblich umfassende Wirtschaftsreformen beschließen, die Chinas Übergang zu einer nachhaltigen und binnenmarktorientierten Wirtschaftsweise begleiten sollen. Auch eine neue Freihandelszone in Shanghai ist geplant.
Von ihr behaupteten Hongkonger Zeitungen, dort solle Chinas bisher nicht konvertierbare Währung in einem Experiment frei gehandelt werden. In China wurden solche Pläne bisher nicht offiziell bestätigt und sind offenbar intern umstritten.
Li sagte nur: „Bei unseren Bemühungen, als Pilotversuch eine Freihandelszone in Shanghai zu errichten, liegt die Priorität auf einfacherem Zugang zu Investitionen und auf mehr Öffnung für Handel und Dienstleistungen.“
Kritik an Plänen zur Urbanisierung - Zurückhaltend äußerte er sich auch über sein bisheriges Lieblingsprojekt, die Urbanisierung in China zu beschleunigen. Über das Thema hat Li einst auch promoviert. Hunderte Millionen Bauern sollen zu Stadtbürgern werden, um mit dieser gigantischen Verstädterung die Binnennachfrage über Jahrzehnte anzufeuern.
Inzwischen regt sich jedoch überall Kritik an viel zu vielen auf grüner Wiese gebauten, unbewohnten Neubauvierteln, erneuter wilder Immobilienspekulation und Kreditchaos in den Provinzen, deren Regierungen sich unter dem Vorwand der Urbanisierung verschulden. Li selbst spricht inzwischen von einer „neuartigen Modernisierung“, die er wolle.
Auffällig war, dass er die Urbanisierung in seiner Rede in Dalian überhaupt nur einmal ansprach. Die in China noch nicht vollendete Industrialisierung und Urbanisierung böten der Wirtschaft „großen Raum zur Entwicklung“.