GESELLSCHAFT
Forscher wollen Gesichter aus Erbinformation rekonstruieren
Baku, den 29. März (AZERTAG). Es sind 20 Gene, die bestimmen, wie unser Gesicht aussieht, berichten Forscher. Sie wollen ermitteln, welche Bestandteile der DNA zu welchen Gesichtszügen führen. Langfristig ließen sich so aus Proben unserer Erbinformation Phantombilder erstellen.
Weiblich oder männlich. Blaue oder grüne Augen, braune oder blonde Haare und afrikanische oder europäische Abstammung - all diese Eigenschaften lassen sich bereits heute aus dem Erbgut eines Menschen ablesen. Aber da geht noch mehr, glauben Forscher. Sie wollen Anhand der DNA eines Menschen ganze Gesichter rekonstruieren. Dazu müssen sie zunächst genauer verstehen, welchen Einfluss die Gene auf die tatsächliche Gesichtsform haben.
Um mehr zu erfahren, studierten Forscher um Mark Shriver von der Pennsylvania State University und Kollegen die Gesichter von 592 Personen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren aus den USA, Brasilien und den kapverdischen Inseln, bei denen sich westafrikanische und europäische Herkunft vermischen. Sie erfassten unter anderem die Hautfarbe, das Geschlecht und die Herkunft der Probanden. Zusätzlich nahmen sie DNA-Proben aus dem Blut und der Mundschleimhaut, berichten sie im Fachmagazin „Plos Genetics“.
„Etwa fünf Prozent der Gene unterscheiden sich zwischen Populationen“, erklärt Shriver. „Wir beziehen verschiedene Populationen ein, weil sie in unterschiedlicher Umgebung und sozialen Strukturen leben.“ Auf diese Weise ließen sich auch Gesichtszüge, die durch Lebensumstände geformt werden, von genetisch gesteuerten abgrenzen.
Im ersten Schritt modellierten Shriver und Kollegen die Gesichter der Testpersonen als 3-D-Bilder am Computer und entfernten Haare, Ohren, Hautfarbe und weitere Faktoren, die von der reinen Gesichtsform ablenken. Die Computerbilder versahen sie mit einem engmaschigen Netz und bestimmten den Abstand aller markierten Punkte. Auf diese Weise identifizierten sie 44 grundlegende Gesichtsproportionen, mittels derer sich 98 Prozent der unterschiedlichen Gesichtsanordnungen der Probanden beschreiben ließen.
Phantombilder aus DNA generieren - Den Einfluss von verschiedenen Genvarianten auf die Gesichtszüge ermittelten die Forscher, indem sie Gesichtsformen, Geschlecht, Abstammung und Gene abglichen. Das Ergebnis: Sie fanden Zusammenhänge zwischen 20 Genen und der Form des Gesichts. Darunter etwa ein Gen, das je nach Variante die Lippenform verändert, ein anderes steuere die Form und Beschaffenheit der Knochen um die Augen. Wieder ein anderes sei verantwortlich für das Aussehen der Gesichtsmitte und des Schädels.
Um den Umfang der Analysen einzugrenzen, hatten die Forscher Gene geprüft, von denen bekannt ist, dass sie in veränderter Form zu Fehlbildungen im Gesicht oder am Schädel führen. Es sei wahrscheinlich, dass diese Gene auch in ihrer normalen Form den Aufbau von Gesicht und Schädel beeinflussen.
„Wir nutzen DNA, um ein Individuum zu identifizieren, aber die DNA verrät noch viel mehr“, sagt Shriver. Derzeit sei es noch nicht möglich, allein aus dem Erbgut auf die Gesichtszüge zu schließen oder umgekehrt. „Es sollte aber eigentlich möglich sein.“ Irgendwann könne man ihre Technik sicher nutzen, um von der DNA eines Kindes auf das Aussehen der Eltern zu schließen, so die Forscher. Es werde auch möglich sein, das Aussehen menschlicher Vorfahren über DNA-Proben genauer zu beschreiben. In der Forensik könne die Fähigkeit, von DNA auf Gesichter zu schließen, helfen, exakte Phantombilder zu erstellen.
Die Forscher sind sich bewusst, dass ihre Pläne Grenzen haben: Umwelt, Temperaturen, Regenfälle und das Leben in großer Höhe hätten neben den Genen ebenfalls großen Einfluss auf die Gesichtsform. Bereits im September 2012 hatten Forscher Gene identifiziert, die das Gesicht formen. Nach der Analyse des Erbguts von 10.000 Menschen aus Europa, waren die Forscher damals auf fünf für die Gesichtsform entscheidende DNA-Regionen gestoßen.