WIRTSCHAFT
Ölpreis steigt bald wieder
Baku, 23. Dezember, AZERTAG
Turbulenzen erschüttern den Ölmarkt, die Preise fallen - und die Saudis wollen sie weiter niedrig halten. Wie es zum Absturz kam und ob das Kalkül der Scheichs aufgeht, zeigt der Grafiküberblick.Der Wert des Öls hat sich seit dem Sommer fast halbiert. Mitte Juni noch zahlte man fast 110 Dollar für ein Barrel (159 Liter), derzeit sind es gut 60 Dollar. Oft wurde der Absturz als Showdown zwischen den zwei weltgrößten Ölproduzenten Saudi-Arabien und USA dargestellt. Eine Sichtweise, die durch drastische Äußerungen des saudischen Ölministers Ali Al-Naimi neue Nahrung erhält: „Wenn der Preis fällt, dann fällt er. Andere wird das bereits dann hart treffen, wenn wir noch gar nichts davon spüren.“
Doch in Wirklichkeit geht es hier um mehr als nur um einen Preiskampf. Richtig ist: Die USA erleben dank der umstrittenen Fracking-Technologie einen beispiellosen Förderboom. Ihre Ölproduktion hat sich seit 2008 fast verdoppelt, ihr Anteil an der globalen Produktion ist inzwischen auf fast zehn Prozent gewachsen. Die Lage am Weltölmarkt hat sich dadurch merklich entspannt.
Doch das Überangebot, das den Ölpreis letztlich abstürzen ließ, haben USA und Saudis nicht allein verursacht. Der Crash hat auch mit libyschen Rebellen, nigerianischen Wirtschaftspolitikern, der flauen Weltkonjunktur und einem Machtvakuum im Opec-Kartell zu tun.
Was bislang passiert ist, können Sie Schritt für Schritt in folgender Grafik nachvollziehen. Klicken Sie einfach auf die roten Punkte.
Der Verfall des Ölpreises setzt eine gewaltige Umverteilungsmaschine in Gang. Bei einem Preis von 110 Dollar pro Barrel ist die globale Jahresproduktion von Rohöl rund 3,6 Billionen Dollar wert; bei einem Preis von 60 Dollar sind es nur noch rund zwei Billionen Dollar. Länder, die viel Öl importieren, sparen durch den Preisverfall also gewaltige Summen. Exportländer verbuchen ebenso riesige Einbußen.
Unterm Strich ist das, anders als oft behauptet wird, kein Nullsummenspiel. Wenn der Ölpreis um zehn Prozent fällt, wächst die Weltwirtschaft um 0,2 Prozent stärker, schätzt der Internationale Währungsfonds. Das liegt vor allem daran, dass die Milliarden von den Ölproduzenten zu den Konsumenten wandern. Durchschnittsverdiener geben von ihrem Geld in der Regel deutlich mehr aus als arabische Ölscheichs oder nigerianische Kleptokraten.
Die positiven Effekte für die Weltwirtschaft können allerdings rasch ins Negative umschlagen. Denn bleibt der Ölpreis zu lange zu niedrig, droht Ländern, die von den Exporten zu stark abhängen, der wirtschaftliche Kollaps. Das aber würde neue Schockwellen durch die ohnehin nervösen Märkte schicken.
Die meisten Experten rechnen nicht damit, dass der Ölpreis bald wieder steigt. Zu groß ist derzeit das Überangebot. Mittelfristig aber wird die globale Nachfrage aufgrund des Wirtschaftswachstums in den Schwellenländern weiter steigen, Experten rechnen bis 2030 mit einem Bedarf von 103 Millionen Barrel pro Tag.
Zudem wird die Produktion irgendwann einbrechen. Laut einer Analyse der US-Bank Goldman Sachs sind bei einem Ölpreis unter 70 Dollar Förderprojekte mit einer Investitionssumme von bis zu 930 Milliarden Dollar gefährdet. Die meisten Experten rechnen daher damit, dass sich das Angebot in den kommenden Jahren wieder verknappt - und der Ölpreis deutlich steigt. Manche rechnen bereits Mitte 2015 damit. Auch wenn Ölminister Ali Al-Naimi dagegen hält: Die Zeit, in der ein Barrel Öl 100 Dollar gekostet hat, sei vorbei.