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Forscher finden Grand Canyon unter dem Eis
Baku, den 26. Juli (AZERTAG). Überraschende Entdeckung unter dem Eis der Antarktis: Per Radar haben Forscher ein 1500 Meter tiefen, gewaltigen Graben entdeckt. Er verbindet das Inland der Westantarktis mit dem sich erwärmenden Ozean - und könnte so die Gletscherschmelze beschleunigen. Die Westantarktis verliert mehr Eis als alle anderen Regionen des frostigen Kontinents. Möglicherweise ist dafür eine besondere geografische Formation verantwortlich: Versteckt unter dem Ferrigno-Gletscher haben britische Wissenschaftler einen bis zu 1500 Meter tiefen Graben entdeckt. Dieser Einschnitt reiche bis zur Küste und sei dort mit dem sich erwärmenden Ozean verbunden.
Das Tal könnte das Schmelzen des Eises bis weit ins Innere der Antarktis hinein verstärken, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Um zu verstehen, warum Gletscher wie der Ferrigno-Eisstrom besonders schnell verschwinden, habe man die Bedingungen unter der Eisdecke untersuchen müssen, erklärt der Glaziologe Robert Bingham von der University of Aberdeen.
Geografische Daten aus der betreffenden Region wurden 1961 zum ersten Mal aufgezeichnet - und dann nicht mehr. Erst 2010 betraten Wissenschaftler die Eislandschaft an der antarktischen Westküste wieder, um diese Messungen zu vertiefen. Das britische Forscherteam verbrachte drei Monate damit, die 14.000 Quadratmeter große Eisfläche mit Radarschlitten zu durchleuchten. Um das Grabensystem realitätsnah abzubilden, ermittelten sie zudem Schwerkraftveränderungen und magnetische Wellen innerhalb des Untersuchungsgebiets.
Die Auswertung der Daten liegt nun vor - und zeigt ein neues geografisches Bild der antarktischen Küstenregion: Unter den Eismassen des Ferrigno-Gletschers liegt eine etwa eine Million Jahre alte tektonische Verwerfung, die der stetig fließende Gletscher im Laufe der Zeit zu einem bis zu 1500 Meter tiefen Graben ausgeschabt hat. „Wenn man heute das Eis dort abstreifen würde, könnte man eine Formation sehen, die in ihrer Größe an den Grand Canyon heranreicht“, schreibt Bingham.
Nach Ansicht von Co-Autor Fausto Ferraccioli vom British Antarctic Survey ist das nun entdeckte Tal Teil eines riesigen Systems unter der Westantarktis, von dem man noch so gut wie nichts wisse.
Südpolarmeer mit dem Ferrigno-Gletscher verbunden- Für die Antarktis hat die geografische Besonderheit weitreichende Folgen, meinen die Wissenschaftler. Zum einen beschleunige die von der Erdkruste aufsteigende geothermale Wärme das Abschmelzen der tieferen Eisschichten. Zum anderen verbinde der Graben heute das Südpolarmeer mit dem Ferrigno-Gletscher. Dadurch dringe das sich erwärmende Meerwasser bis zu den Eismassen im Inland vor und verstärke die Schmelze zusätzlich.
„Die Veränderungen, die in der Antarktis heute beobachtet werden, zeigen nicht nur eine kurzfristige Reaktion auf die Klimaerwärmung“, so die Wissenschaftler. Vielmehr seien sie Teil einer viel weiter reichenden Wechselwirkung zwischen der Aktivität der Kontinentalplatten, dem Wandel der Gletscherlandschaften und letztlich auch ozeanischen sowie atmosphärischen Veränderungen.
Da die Westantarktis bereits signifikant zum weltweiten Anstieg des Meeresspiegels beiträgt, helfe die neue Studie, diesen Zusammenhang besser zu verstehen, so die Forscher. Kollegen hatten bereits davor gewarnt,dass warmes Wasser aus dem Südozean die riesigen Schelfeisflächen gefährden könnte. Auch hier spielten Messungen der Landschaft unter dem Eis eine entscheidende Rolle - weil sie zeigten, dass sich dort wenig Halt für rutschende Gletscher findet.