WELT
Forscher entdecken warmblütige Fische
Baku, 15. Mai, AZERTAC
Forscher haben nun eine Ausnahme entdeckt - in den Tiefen der Weltmeere.
Er ist flach, von der Seite gesehen fast rund, erreicht bis zu 1,80 Meter Länge und ist in so gut wie allen Meeren zu Hause: Eigentlich ist Lampris, im Deutschen Gotteslachs genannt, ein alter Bekannter. Die in der Tiefsee lebenden Einzelgänger werden zwar selten gefangen, erfreuen dann aber des Anglers Herz: Ihr fettreiches rotes Fleisch gilt als schmackhaft.
Und schön sind sie allemal: Ihr Körper glänzt metallisch orange, die auffallend roten Flossen unterstreichen das noch. Ihrer Gestalt verdanken sie ihren zweiten gebräuchlichen Namen: Wie die riesigen Molidae der tropischen Hochsee, mit denen sie allerdings nicht verwandt sind, nennt man auch diese Rundlinge vor allem im englischsprachigen Raum auch „Mondfische“.
Dass es noch etwas anderes geben könnte, was die Gotteslachse auszeichnet, hat man dagegen bisher nicht geahnt. Denn darauf, den Fischen die Körpertemperatur zu messen, ist bisher niemand gekommen: Gotteslachse entpuppten sich nun völlig überraschend als Warmblüter.
Damit nehmen sie - soweit man bisher weiß - unter den Fischen eine Sonderstellung ein. Die Entdeckung wurde rein zufällig im Rahmen von Forschungsarbeiten der US-amerikanischen Ozeanografiebehörde NOAA gemacht.
Den Biologen Nicolas Wegner und Owyn Snodgrass war bei der Untersuchung des Kiemenapparates des Tiefseefisches aufgefallen, dass dessen Aufbau höchst ungewöhnlich war: Wegner erkannte, dass die Gefäße in den Kiemen, die das dort mit Sauerstoff angereicherte Blut in den Körper transportieren, von anderen Blutgefäßen umwickelt werden, die Blut aus dem Körperinneren zuleiten. Das Design erinnerte ihn an Heizschlangen - und tatsächlich lag er damit goldrichtig.
Tiefsee-Turbo: Wärme macht schnell - Denn Lampris hält seine Körpertemperatur ständig über dem Niveau des umliegenden Wassers, berichten die Forscher im Fachblatt „Science“. Dies gelinge dem Fisch, indem er nonstop seine Muskeln einsetze. Die Heizstränge in den Kiemen braucht er, um die Temperatur konstant zu halten: Das Blut in den Kiemen ist ständig dem Kontakt mit dem kalten Tiefenwasser ausgesetzt. Die ganze Konstruktion, schreibt Wegner, erinnere an den Wasser-Kühlkreislauf eines Kraftwagens - nur das hier eben Temperaturerhöhung das Ziel ist und nicht -senkung.
„So etwas hat man in den Kiemen eines Fisches noch nie gefunden“, schreibt Wegner in einer Pressemitteilung zur Studie: „Das ist eine coole Innovation, die diesen Fischen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Das Konzept des Temperaturen-regelnden Flüssigkeitskreislaufes wurde von Fischen erfunden, lang bevor wir darauf kamen.“
Bisher war man davon ausgegangen, dass sich die vielleicht auch wegen ihrer runden Gestalt eher gemütlich wirkenden Tiere gemächlich durch die Finsternis in bis zu 300 Meter Tiefe bewegten. In dieser Tiefe herrschen - je nach Klimazone - in der Regel Wassertemperaturen zwischen vier (kaltes Meer) und höchstens zwölf (tropische Gewässer) Grad Celsius. Viele Fische schwimmen da nur noch mit zeitlupenhafter L Nicht so Lampris alias Goldlachs, der Fisch mit dem Tiefsee-Turbo: Seit Langem war bekannt, dass er über einen überproportional ausgebauten Muskelgürtel verfügt, der die Flossen antreibt. Und das offenbar pausenlos, was für Wärme sorgt. Lampris schafft es, seine Bluttemperatur konstant fünf Grad über der des umgebenden Wassers zu halten. Seine üppigen Fettpolster entpuppen sich nun als Wärme-Isolation.
All das macht Lampris schneller und agiler als seine Beutetiere und kommt offenbar auch seiner Reizverarbeitung und seinem Sehvermögen zugute. Es macht aus dem vermeintlich trägen Rundling einen erfolgreichen Jäger, vor dem auch flinke Sepias und Tintenfische nicht sicher sind.
Und es macht ihn zum bisher einzig bekannten stabil endothermischen Fisch - also zu einem Tier, dass selbst Wärme generiert, um eine konstante Körpertemperatur zu halten. In Ansätzen findet man das auch bei Haien und Makrelenartigen, die ausgewählte Muskelpartien oder - wie bei Schwertfischen - Gehirn und Sinnesorgane leicht erwärmt halten können. Eine konstante Erwärmung des gesamtes Körpers, der sie als warmblütig auszeichnen würde, bekommen sie allerdings nicht hin angsamkeit.