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Kreative Menschen schummeln eher
Baku, den 2. Dezember (AZERTAG). Kreativität hat auch Schattenseiten: Sie verleitet Menschen dazu, eher unehrlich zu sein. Warum originelle Köpfe zum Betrügen neigen, zeigen amerikanische Forscher in mehreren Experimenten - und im echten Leben.
Kreative Menschen gelten als Bereicherung der Gesellschaft. Ein Forscherpaar der Harvard University und der Duke University will nun die dunkle Seite von Kreativität entdeckt haben: In mehreren Versuchen konnten die Wissenschaftler Francesca Gino und Dan Ariely nicht nur zeigen, dass originelle Köpfe eher zum Schummeln neigen als weniger einfallsreiche. Wie die Forscher im noch unveröffentlichtenFachmagazin „Journal of Personality and Social Psychology“ berichten, konnten sie auch klären, welcher Mechanismus Kreativität mit Unehrlichkeit verbindet.
In einem ersten Experiment führten 79 Studenten zunächst am Computer Kreativitäts- und Intelligenztests aus. Auf diese Weise konnten die Forscher bestimmen, wie ausgeprägt die schöpferische Denkleistung der einzelnen Probanden ist. Anschließend wurden die Studenten gebeten, Aufgaben zu Wahrnehmung, zur Logik und zum Allgemeinwissen zu lösen. Für die Teilnahme an den Tests erhielten die Probanden Geld. Mit jeder richtigen Antwort konnten sie sich aber noch zusätzlich welches verdienen.
Im Anschluss an die Tests sollten sie die Anzahl der richtigen Antworten auf Papierbögen schreiben. Dabei gaben die Forscher den Studenten das Gefühl, sie würden nicht kontrollieren, ob die Angaben auf dem Papier mit der tatsächlichen Leistung in den Tests übereinstimmen. Über ein verstecktes Codiersystem konnten die Forscher allerdings im Nachhinein ermitteln, ob jemand ehrlich war.
Vor allem die kreativen Studienteilnehmer waren das aber nicht: Je kreativer ein Studienteilnehmer war, desto eher mogelte er in seinen Lösungsangaben. Die Intelligenz der Probanden spielte dagegen keine Rolle. Klügere Menschen lügen anscheinend nicht mehr als weniger schlaue.
Eine zweite Untersuchung mit weiteren 111 Studenten zeigte, dass nicht nur der individuelle Einfallsreichtum zu Schummelei führen kann, sondern allein schon die Anregung von kreativem Denken. Den Anstoß dazu lieferte eine Sprachübung: Die Probanden sollten aus fünf Wörtern logische Sätze mit vier Worten bilden. Ein Teil der Studenten erhielt vor allem Wörter wie innovativ, neuartig, Phantasie oder Ideen - also Wörter, die mit Kreativität verbunden werden.
Dass Kreativität auch außerhalb von Institutslaboren, in der echten Welt also, zu unehrlichem Verhalten führt, zeigten Gino und Ariely in einer Befragung von 99 Angestellten aus 17 verschiedenen Abteilungen einer Firma: Je kreativer der Arbeitsbereich, desto eher tendierten Mitarbeiter dazu, auch mal Kugelschreiber und Druckerpapier aus dem Büro zu entwenden oder Spesenabrechnungen zu erhöhen.
Doch warum verleitet ein erfinderischer Geist zum Betrug? Zwei weitere Untersuchungen der Harvard-Forscher zeigen schlicht: Es fällt ideenreichen Menschen leichter, ihr unehrliches Verhalten zu rechtfertigen, denn ihnen fallen eher rationale Gründe für ihr Handeln ein.