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Studie um Wahrsagerei versetzt Forscher in Aufruhr
Baku, den 14. Januar (AZERTAG). Mit der Veröffentlichung einer neuen Studie will ein US-Psychologe beweisen, dass Hellseherei kein Hirngespinst ist. Die Wissenschaftsgemeinde ist entsetzt.
Lotto zu spielen wäre witzlos, Casinos würden in kürzester Zeit ihren Bankrott erklären, der Wetterbericht und auch die Zeitung wären unnütz, könnten Menschen in die Zukunft blicken. „Feeling the Future“, die Zukunft fühlen, ist der Titel einer Studie, die im renommierten „Journal of Personality and Social Psychology“ erscheinen soll.
Die Wissenschaftsgemeinde ist in Aufruhr. Denn die Studie verspricht etwas, wonach schon seit Jahrhunderten gesucht wird. Sie verspricht, einen empirischen Beweis für die Glaubwürdigkeit der Hellseherei zu liefern, etwas, das sich nicht einfach mit purem Zufall erklären lässt. An der Forschungsarbeit des amerikanischen emeritierten Psychologen Daryl J. Bem nahmen über 1000 Probanden teil. Bem führte neun Experimente durch – alle am Computer und mit Hilfe eines Zufallsgenerators, so dass sie wiederholt und so geprüft werden könnten.
In acht der neun Experimente zeigten seine Probanden, wenn auch nur mit einer gering höheren Wahrscheinlichkeit als die erwartete von 50 Prozent, die Fähigkeit in die Zukunft zu sehen.
Auf einem Bildschirm erschienen zwei Vorhänge. Hinter einem verbarg sich ein Bild, hinter dem anderen war die blanke Wand versteckt. Bems Versuchspersonen sollten erraten, hinter welchem Vorhang ein Bild erscheinen wird. Auf dem Computerbildschirm erschienen dann neutrale Bilder, wie ein Obstkorb, romantische Bilder, wie das eines Paares bei der Hochzeit, negative Bilder wie Verletzungen oder erotische Bilder.
Die Chance in die Zukunft zu sehen lag also bei 50 Prozent – entweder das Bild erschien hinter dem linken, oder hinter dem rechten Vorhang. Doch erstaunlicher Weise rieten 53,1 Prozent der Probanden richtig, wenn sich auf den Bildern erotische Szenen abspielten. Tauchten neutrale, romantische, oder negativ belegte Bilder auf dem Schirm auf, lagen die Ergebnisse im Rahmen zwischen 49,4 Prozent und 51,3 Prozent und waren nach Bem nicht aussagekräftig.
Bei einem anderen Experiment lieh sich Bem eine Hypothese von Lewis Carolls „Alice im Wunderland“ aus. Dort erklärt die Weiße Königin der kleinen Alice, dass die Menschen in ihrem Land Erinnerungen an die Vergangenheit und an die Zukunft hätten. Sie selbst könne sich am besten Dinge merken, „die übernächste Woche passieren werden“. In Bems Experiment wurde den Probanden eine Liste mit Wörtern für ein paar Sekunden vorgelegt und wieder weggenommen. Danach wurden sie gebeten, die Wörter aufzulisten, die sie sich gemerkt hatten. Erst dann wurden ihnen Wortlisten mit Vokabeln ausgehändigt, die sie zuvor kurz gesehen hatten und auswendig lernen sollten. Erstaunlicherweise hatten einige Probanden schon beim ersten Abfragen die Wörter aufgeschrieben, die sie erst im zweiten Schritt auf den per Zufallsgenerator erstellten Vokabellisten vorfanden.
Bem erklärt diesen Effekt mit „Psi“. Er definiert Psi, als einen „anormalen Prozess eines Informations- oder Energietransfers, der derzeit weder physikalisch oder biologisch erklärt werden kann“. Begabt für Psi seien Menschen, die offen für neue Erfahrungen sind. Hinter Psi vermutet er unter anderem die Evolution. „Wenn es Psi gibt, ist es nicht unangemessen zu behaupten, dass es durch die Evolution entstanden sein könnte, um einen Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil zu gewähren“, schreibt er. Nachgewiesen hat Bem das in seiner Studie allerdings nicht.