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Warum haben Dohlen so helle Augen?
Baku, den 5. Februar (AZERTAG). Mit Blicken kommunizieren können nur Menschen und Affen. Das dachte man zumindest bisher. Doch britische Forscher haben Rabenvögeln nun in die Augen gesehen – und Erstaunliches herausgefunden. Rabenvögel sind klug: Elstern stehlen Glitzerzeug, Raben können Verschlüsse knacken und Krähen mit Stöckchen nach Essbarem suchen. Doch offenbar haben Forscher ein Mitglied der krächzenden Familie bislang unterschätzt: die Dohlen. Die kennt jeder, der schon einmal im Hochgebirge gewesen ist. Hier fungieren sie als Müllabfuhr, transportieren das ab, was Bergsteiger und Skifahrer hinterlassen haben. In Schwärmen von 20 oder 30 Vögeln suchen sie die Felsen nach Essbarem ab. Aber auch im Flachland sind Dohlen häufig auf Futtersuche unterwegs. Ihnen entgeht dabei fast nichts.
Nun berichten Gabrielle Davidson von der University of Cambridge und Alex Thornton von der University of Exeter im Journal „Biology Letters“, dass sie wissen wollten, warum Dohlen so helle Augen haben. Das ist zwar unter Sperlingsvögeln, zu der auch die Rabenvögel gehören, keine Seltenheit – immerhin haben von ihnen etwa zehn Prozent Augen mit einer bunten Iris. Doch die nächsten Verwandten der Dohlen haben keinen derart stechend-hellen Blick.
„Die hellen, bleichen Iriden von Dohlen fallen vor dem Hintergrund ihres dunklen Gefieders ziemlich stark auf“, erklärt Gabrielle Davidson. Kurz vor der Paarungssaison im Frühjahr hat die Verhaltensforscherin deshalb im Außenbereich ihrer Uni in Cambridge Dohlennisthöhlen besonders ausgestattet. Sie brachte Fotos an 100 Höhlen an. Ein Viertel der Fotos war schwarz. Auf einem weiteren Viertel war ein Dohlengesicht mit Dohlenaugen zu sehen. Vom dritten Viertel der Fotos starrten Dohlenaugen aus einem Rabengesicht, und auf dem letzten Viertel waren Rabenaugen zu sehen, die auf ein Dohlengesicht montiert worden waren.
So klug sind Krähen Dann filmte Davidson das Verhalten der nistwilligen Dohlen beim Anblick der Fotos.
„Dohlen bauen ihr Nest in Baumhöhlen“, erklärt die Forscherin. „Allerdings können sie sich diese Höhlen nicht wie Spechte selbst zimmern, sondern müssen sich mit ihren Artgenossen um die Höhlen streiten.“ Da die Dohlen aber immer in nächster Nähe zueinander nisten, gebe es eine Menge Gerangel um die beste Nisthöhle. Meistens fange der Streit damit an, dass eine fremde Dohle sich einer Nisthöhle näherte, die bereits von einer anderen Dohle besetzt war.
Davidson analysierte über 40 Stunden Filmmaterial von solchen Anflügen und Streitereien vor den Höhlen. Schließlich erkannte sie darin ein System: Die Höhlen, an denen Fotos von Dohlenaugen in Dohlengesichtern hingen, wurden am seltensten angegriffen. Die Höhlenneider hielten sich auch nicht besonders lange in der Nähe auf.
Offenbar bewirkte der stechende helle Blick, dass die Vögel ihre Artgenossen auf den Fotos erkannten – und sich nicht weiter mit ihnen anlegen wollten. Waren die Höhlen mit Rabenfotos oder Rabenaugen auf Dohlengesichtern markiert, gaben sich die heranfliegenden Dohlen wesentlich mehr Mühe. Artfremden Vögeln wollten sie den Nistplatz dann doch nicht kampflos überlassen.
„Bislang hatten wir noch so gut wie keine Ahnung davon, wozu die farbigen Augen von Vögeln eigentlich da sind. Nun konnten wir zeigen, dass sie zumindest bei den Dohlen dazu dienen, Eindringlinge abzuhalten und ihre Nester und Küken zu verteidigen“, so die Wissenschaftlerin. „Es wäre interessant zu wissen, ob auch andere Höhlennister mit ihren Augen kommunizieren können.“ Ein stechender Blick scheint sich in der Evolution bei manchen Tieren durchaus bewehrt zu haben.