WELT
Demonstrierende wollen Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus als Regierungschef
Baku, 6. August, AZERTAC
In Bangladesch wird nach dem Rücktritt und der Flucht von Regierungschefin Sheikh Hasina infolge wochenlanger Massenproteste nach einem neuen Regierungschef gesucht. Armeechef General Waker-Us-Zaman wolle sich mit den Anführern der Studentenproteste treffen, teilte die Armee mit. Die Studentenbewegung, die Hasina zum Rücktritt gedrängt hatte, machte unterdessen deutlich, dass sie eine Übergangsregierung unter Führung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus anstrebt.
„Jede andere Regierung als die von uns vorgeschlagene wird nicht akzeptiert“, sagte Nahid Islam, einer der Hauptorganisatoren der Studentenbewegung, in einem Facebook-Video mit drei weiteren Organisatoren. „Wir werden keine Regierung akzeptieren, die vom Militär unterstützt oder geführt wird.“ Laut Islam habe es bereits Gespräche mit Yunus gegeben, der sich bereit erklärt habe, die Verantwortung zu übernehmen.
Der heute 84-jährige Yunus hatte in den Achtzigerjahren die Grameen Bank gegründet, die Mikrokredite an die ärmsten Menschen in Bangladesch vergibt und Millionen Menschen aus der Armut half. 2006 wurde dem Wirtschaftswissenschaftler dafür der Friedensnobelpreis verliehen. Er galt lange auch als möglicher politischer Widersacher von Regierungschefin Hasina, die ihn als „Blutsauger“ bezeichnete.
„Wir vertrauen Dr. Yunus“, erklärte Asif Mahmud, ein weiterer Anführer der Stundentenbewegung SAD, auf Facebook. Yunus hält sich derzeit in Europa auf. Ein enger Mitarbeiter sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP, Yunus habe bislang kein Angebot des Militärs zur Führung einer Übergangsregierung erhalten.
Hasina landete am Montag auf dem Militärflugplatz Hindon bei Delhi, nachdem sie Dhaka verlassen hatte, sagten zwei indische Regierungsbeamte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Sie machten keine weiteren Angaben zu Hasinas Aufenthalt oder ihren Plänen.
Die seit 15 Jahren herrschende Sheikh Hasina war am Montag aus Bangladesch geflohen. Armeechef Waker-Uz-Zaman kündigte die Bildung einer Übergangsregierung an. Bei den gewaltsamen Protesten wurden allein am Montag mindestens 109 Menschen getötet, wie Polizei und Ärzte am Dienstag mitteilten. Es war der blutigste Tag seit Beginn der Massenproteste Anfang Juli. Nach der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Zahlen seien insgesamt mindestens 409 Menschen getötet worden.
Ursprünglich waren die Demonstranten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst auf die Straße gegangen, die ihrer Ansicht nach Unterstützer von Hasina bevorzugte. Nach und nach wurde dann der Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin das Ziel der Protestbewegung, der sich immer mehr Menschen aus allen Bevölkerungsschichten anschlossen.
Die 76-jährige Hasina war im Januar in einer von einem großen Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer Regierung wurden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen – bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller.