WELT
Venezuela Regierung hebt Benzin-Preise an
Baku, 20. August, AZERTAC
Kaum etwas ist im Krisenland Venezuela einfach und günstig zu haben. Die Versorgungslage ist sehr schlecht, viele Ladenregale sind leer - und wenn es Grundnahrungsmittel wie Reis, Milch und Öl überhaupt gibt, sind sie aufgrund der Hyperinflation für viele Einwohner unerschwinglich. Benzin hingegen gibt es meistens - und praktisch gratis. Ein Liter kostet sechs Bolívar, für umgerechnet einen Euro gibt es rund eine Million Liter Treibstoff. Eine Tasse Kaffee kostet genauso viel.
Doch das ändert sich von diesem Montag an. Die sozialistische Regierung unter Präsident Nicolás Maduro will die Treibstoffpreise langsam auf internationales Niveau anheben. Das ist Teil eines Maßnahmenpakets, zu dem unter anderen auch gehört, dass fünf Stellen aus der Landeswährung Bolívar gestrichen werden. Zudem wird der Bolívar an die neue Kryptowährung Petro gekoppelt.
"Ich hoffe, dass wir in zwei Jahren diese Missbildung beenden, die über lange Zeit gewachsen ist: Wir haben das Benzin praktisch verschenkt", sagte Maduro bei der Ankündigung der Pläne. In den vergangenen Tagen bildeten sich vor den Tankstellen lange Autoschlangen, viele Venezolaner tankten noch einmal zu den niedrigen Preisen voll.
Die Regierung geht davon aus, dass sie allein durch Benzinschmuggel nach Kolumbien und in die Karibik pro Jahr 18 Milliarden Dollar verliert. Registrierte Regierungsanhänger, Sozialhilfeempfänger und der öffentliche Nahverkehr sollen aber weiterhin durch direkte Subventionen unterstützt werden.
Staatsschulden müssen mit Öl beglichen werden - Venezuelas einst stolze Ölindustrie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Fördermenge ist auf zuletzt rund 1,36 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag gesunken, den niedrigsten Stand seit mehr als 50 Jahren. Weil die staatliche Erdölfirma PDVSA seit Jahrzehnten nicht mehr in moderne Fördertechnik, Instandhaltung ihrer Anlagen und Ausbildung von Personal investiert, kann das Land mit den größten Ölreserven der Welt seinen Reichtum kaum abschöpfen.
Wegen des desolaten Zustands der Förderanlagen kann Venezuela derzeit noch nicht einmal von den wieder anziehenden Ölpreisen profitieren. Der Preisanstieg reicht nicht aus, um die Verluste durch die sinkende Förderung auszugleichen. Zudem kann Venezuela gar nicht seine gesamte Produktion auf dem freien Weltmarkt verkaufen, weil ein wesentlicher Teil schon verplant ist. So bezahlt das hoch verschuldete Land seine Kredite in Russland und China mit Öllieferungen und schickt auch dem sozialistischen Verbündeten Kuba noch immer Öl zum Vorzugspreis.