WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Forscher finden neue Spur im Antimaterie-Rätsel
Baku, den 25. April (AZERTAG). Warum ist unsere Welt beinahe vollständig von Materie dominiert? Kleine Unterschiede zwischen normalen Teilchen und ihren Cousins aus Antimaterie könnten bei der Erklärung helfen. Nun wurde eine neue Asymmetrie entdeckt - doch das Rätsel bleibt bestehen.
Das Universum existiert, weil es einen Schönheitsfehler hat. Ganz am Anfang seiner Geschichte, beim Urknall, sollten eigentlich Materie und Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sein. Doch das All, wie wir es kennen, wird von Materie dominiert. Zeugnisse aus dem geheimnisvollen Reich der Antimaterie sind selten. So sorgte gerade das tonnenschwere Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS) auf der Internationalen Raumstation für Schlagzeilen - weil Wissenschaftler mit seiner Hilfe eine noch unbekannte Quelle für Antimaterie gefunden haben wollen.
Doch warum ist unsere Welt beinahe vollständig von Materie dominiert? Eigentlich sollten sich beide Arten von Teilchen bis auf die Ladung identisch verhalten - und sich beim Zusammentreffen unter Abgabe von Energie auslöschen, also längst verschwunden sein. In der Praxis verhalten sich Materie und Antimaterie in bestimmten Situationen aber eben nicht ganz gleich. Oder anderes ausgedrückt: Womöglich überstehen Teilchen der klassischen Materie bestimmt Prozesse einfach besser als ihre Cousins aus dem Anti-Reich - und kommen deswegen 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall einfach häufiger vor.
Einen neuen Hinweis darauf, dass dies tatsächlich so sein könnte, haben Forscher nun am Kernforschungszentrum Cern gefunden. In riesigen Beschleunigern wie dem LHC in Genf lassen sich bei sogenannten Paarbildungsreaktionen zum Beispiel nach dem Crash schneller Protonen Duos von Teilchen und Antiteilchen erzeugen. Und am Messgerät LHCb des Cern-Beschleunigers haben Forscher nun herausgefunden, dass eine bestimmte Art von B-Mesonen etwas häufiger zu Materie als zu Antimaterie zerfällt. In einem Artikel, der im Fachmagazin „Physical Review Letters“ veröffentlicht wird, berichtet ein Wissenschaftlerteam über die Ergebnisse.
Daten von 2011 ausgewertet - Chris Parkes von der University of Manchester sagte der BBC, man habe bei jeder Vierten der entsprechenden Zerfallsreaktionen Unterschiede beobachtet. Fachleute sprechen in diesem Fall von einer sogenannten CP-Verletzung (C steht für Ladung/englisch Charge, P für Parität). Die aktuelle Publikation basiert auf Daten, die LHCb bereits im Jahr 2011 gesammelt hatte. Derzeit wird der Teilchenbeschleuniger umgebaut, er soll 2015 wieder an den Start gehen und dann Teilchenkollisionen mit doppelter Energie ermöglichen.
Die beobachteten Asymmetrien, so Parkes, ließen sich noch im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik erklären. Außerdem sei der bei dem Zerfall entstehende Materieüberschuss viel zu gering, um die Dominanz der Materie im Universum zu erklären.
Die beschriebene Asymmetrie ist faszinierend - aber es nicht das erste Mal, das solch ein Effekt beobachtet werden kann. Eine erste CP-Verletzung wurde in den sechziger Jahren am Brookhaven Laboratory in den USA beobachtet, und zwar bei K-Mesonen (Kaonen). Im Jahr 1980 bekamen die Physiker James Cronin und Val Fitch für diese Entdeckung sogar den Nobelpreis.
Seither sind weitere ähnliche Beobachtungen bei Mesonen hinzugekommen. Doch sie alle reichen nicht ansatzweise aus, um die Vorherrschaft der Materie im All zu erklären - die Suche geht also weiter.