WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Forscher entwickeln neuen Typ Computer-Prozessor
Baku, 20. Mai, AZERTAC
Alles nur geklaut? Viele Produkte, die Google am Mittwoch vorgestellt hat, erinnern an Bekanntes. Und doch sind die Neuheiten anders - so anders, dass Google bald ein neues Image haben könnte.
Als die Keynote zur Google-Konferenz I/O am Mittwochabend zu Ende ging, waren viele enttäuscht. Es gab keine neuen Smartphones zu sehen und auch die VR-Brille, die viele erwartet hatten, wurde nur als Computergrafik gezeigt. Stattdessen wurden einige neue Apps vorgestellt, die irgendwie an Produkte erinnerten, die man schon lange kennt oder sogar benutzt. Da konnte man den Eindruck bekommen, Google würde nur noch andere nachahmen. Ein Trugschluss.
Denn das eigentlich Spannende kam erst ganz zum Schluss der Keynote. Während die ersten Zuschauer die Arena hungrig verließen, widmete sich Google-Chef Sundar Pichai noch kurz dem Thema lernender Maschinen. Er sprach über Alpha Go, die Software, die Go spielen gelernt und den Go-Profi Lee Sedol in einem Wettkampf 4:1 geschlagen hatte. Der kurze Vortrag wurde vom Publikum ohne allzu großes Interesse angehört.
Dabei steckt die Technologie, auf der die Go-Software aufbaut, hinter fast allen interessanten Ankündigungen vom Mittwochabend - das gilt etwa für den neuen Google-Assistenten, den Pichai zu Beginn der Keynote präsentiert hat. Es ist eine Künstliche Intelligenz (KI), in die der Konzern massiv investiert. Pichai verkündete in seinem Schlussvortrag, dass Google speziell für diese KI einen eigenen Mikrochip entwickelt hat.
Ein Chip für die KI - Unter strenger Geheimhaltung hat ein Forscherteam bei Google in den letzten Jahren einen neuen Typ Computer-Prozessor entwickelt, der auf der I/O-Konferenz enthüllt wurde. Als Tensor Processing Unit (TPU) bezeichnet das Unternehmen den neuen Chip, es hat ihn nach einer mathematischen Funktion benannt. Google-Manager Urs Hölzle sagt, TPUs können wie Festplatten in Server eingesetzt werden. So lässt sich die Rechenleistung einfach und schnell erweitern oder anpassen.
Vor allem aber liefern TPUs bei KI-Anwendungen eine Leistung, die um ein Vielfaches höher ist als bei herkömmlichen Prozessoren. Google spricht von einem Entwicklungsvorsprung von sieben Jahren gegenüber anderen Chip-Technologien. Das liege daran, dass die Chips bei KI-Berechnungen weniger Transistoren benötigen, und deshalb mehr Berechnungen pro Sekunde durchführen können.
Im Geheimen liefen die Chips seit einem Jahr - Diese Ankündigung dürfte der Konkurrenz kaum gefallen. Intel entwickelt und verkauft seit Jahren extrem leistungsfähige Prozessoren, die speziell für anspruchsvolle Server-Anwendungen konstruiert werden. Für Nvidia sind Grafikchips, die in Supercomputer eingebaut werden, längst ein wichtiges und lukratives Standbein geworden.
Ohne dass von außen jemand etwas davon mitbekommen hat, werden Googles TPU-Chips angeblich schon seit einem Jahr testweise in Google-Rechenzentren verwendet. Sie haben dazu beigetragen, die Genauigkeit von Street View zu erhöhen und waren auch die Plattform, auf der die Alpha-Go-Software lief, als sie sich ihren Go-Sieg erspielte.
Wo kann ich Hunde sehen? - Jetzt sollen die TPUs sozusagen das System antreiben, das die Grundlage vieler I/O-Neuheiten ist, den Google Assistenten. Der nämlich soll in der Lage sein, mit einem Menschen zu sprechen wie eine reale Person. Er soll Fragen verstehen, Probleme begreifen und Zusammenhänge erkennen, so wie ein guter Concierge in einem Hotel, nur gefüttert mit dem Wissensschatz, der in Googles gewaltigen Datenbanken steckt.
Bei simplen Restaurantreservierungen wird es wohl noch lange nicht bleiben. Es gibt andere Beispiele, die das ganze Potenzial dieser KI demonstrieren. So kann man den Assistenten etwa bitten, alle Hundevideos, die man besitzt, aufzulisten. Die KI kann daraufhin selbst erkennen, in welchen Filmen Hunde eine Rolle spielen.