GESELLSCHAFT
Pelztiere in China tragen Vielzahl potenziell gefährlicher Viren
Baku, 10. September, AZERTAC
Marderhunde, Nerze und Nagetiere auf chinesischen Pelztierfarmen beherbergen viele potenziell zoonotische Viren – also solche, die vom Tier auf den Menschen überspringen könnten. Die Farmen seien eine zu wenig beachtete mögliche Quelle für neu auftretende Krankheitserreger beim Menschen, schreiben Forschende in einer Studie im Fachjournal „Nature“.
Die Wissenschaftler um Shuo Su von der Fudan-Universität in Shanghai hatten 461 Pelztiere untersucht, die auf Farmen erkrankt und gestorben waren. Sie fanden 125 verschiedene Virusarten, darunter 36 bisher unbekannte und 39 Virusarten, die ein hohes Risiko für eine Übertragung auf andere Arten darstellen. China gehört zu den größten Pelzproduzenten weltweit, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete.
Sieben Varianten von Coronaviren - Zu den gefundenen Erregern zählten sieben Varianten von Coronaviren bei Marderhunden und Nerzen, darunter solche, die bisher nur bei Hunden und Fledermäusen nachgewiesen worden waren. In Meerschweinchen, Nerzen und Bisamratten wurden drei Subtypen des Influenza-A-Virus (H1N2, H5N6, H6N2) nachgewiesen. Diese Subtypen sind für ihr pandemisches Potenzial bekannt, wie die Forschenden erläutern.
Gefunden wurden bei Meerschweinchen auch Erreger wie das Japanische Enzephalitis-Virus und Säugetier-Orthoreoviren, die auch Menschen infizieren können. Eine Japanische Enzephalitis kann dauerhafte psychiatrisch-neurologische Schädigungen wie schwere motorische, kognitive und sprachliche Defizite oder wiederkehrende Krampfanfälle zur Folge haben. Ein Teil der Erkrankten stirbt. Säugetier-Orthoreoviren infizieren die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt.
Stärkere Überwachung gefordert - Die Haltung von Pelztieren könne die öffentliche Gesundheit bedrohen, schreibt das Team um Shuo Su. Die Nähe von Farmtieren, Wildtieren und Menschen biete ideale Bedingungen für die Übertragung von Viren. Angesichts ihrer Funde fordern die Wissenschaftler eine verstärkte Überwachung und Regulation der Pelztierhaltung.
Der Weg über die Pelzindustrie gehört zu den verschiedenen Hypothesen zur Herkunft des Coronavirus Sars-CoV-2. Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht diesen Weg als plausibelste Quelle an, unter anderem, weil der Ursprung der ersten Sars-Epidemie in den Jahren 2002/03 bei Marderhunden und Schleichkatzen als Übergangswirten lag.
Millionen Nerzfelle im Jahr - Mit Blick auf Influenzaviren hatte der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Martin Beer, kürzlich gesagt, dass Pelztierfarmen ein Faktor seien, „der lange viel zu wenig im Blick war“. Analysen aus China zufolge kursierten bei Tieren dort alle möglichen Influenzaviren, was zu einem potenziell gefährlichen Gemisch führen könne.
In Dänemark und den Niederlanden sei die Haltung nach zahlreichen Coronainfektionen bei Pelztieren im Zuge der Pandemie noch immer gestoppt, in Deutschland gebe es ohnehin keine. In Finnland würden solche Farmen nach Problemen mit Sars-CoV-2 und H5N1 umfassend überwacht.
„Doch es gibt viele Pelztiere in Ländern mit sehr wenig Überwachung“, gab Beer zu bedenken. China zum Beispiel produziere einige Millionen Nerzfelle jährlich. Hinzu kämen unter anderem Millionen Marderhunde und Füchse. Auch Belarus sei ein großer Produzent ohne transparente Überwachung.