WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Siemens-Ingenieure entwickeln erste Flugzeuge mit Elektromotoren

Baku, 23. August, AZERTAC
Ingenieure entwickeln erste Flugzeuge mit Elektromotoren. Der Kunstflieger, der an diesem Morgen unweit von Dinslaken seine Pirouetten dreht, verbrennt weder Benzin noch Kerosin. Er fliegt mit elektrischem Strom. Siemens-Ingenieure haben ihm einen, wie sie sagen, "Weltrekord-Elektromotor" spendiert: 260 Kilowatt Leistung bei nur 50 Kilogramm Gewicht. "Wir werden die Luftfahrt verändern", sagt Frank Anton, Abteilungsleiter E-Aircraft bei Siemens.
Lange galt elektrisches Fliegen als Kuriosum, als Nische für Kleinstflugzeuge, als ökologisches Feigenblatt auf Luftfahrtmessen. Doch langsam reift die Idee vom leisen, emissionsarmen E-Antrieb. Statt weiter bunte Konzeptideen zu produzieren, wollen Ingenieure nun die Machbarkeit erforschen - angefangen bei Maschinen für Flugschulen über fliegende E-Taxis bis zum Regionaljet für hundert Passagiere.
Die Luftfahrtindustrie hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 ihren Schadstoffausstoß zu reduzieren. So sollen die Emissionen des Klimagases Kohlendioxid um 75 Prozent verringert werden - verglichen mit den Werten des Jahres 2000. Die Lärmbelastung soll um 60 Prozent sinken, bei Stickoxiden ist sogar eine Reduktion um 90 Prozent geplant. "Mit einer schrittweisen Verbesserung der heutigen Technologie werden wir das bei Weitem nicht erreichen", sagt Martin Nüsseler, Leiter des E-Aircraft-Systemprogramms bei der Airbus Group in Ottobrunn.
Zwar ist zu erwarten, dass sich die Technik der Strahltriebwerke, wie sie heute die meisten Passagierflugzeuge antreiben, weiter verbessern wird. Das wird allerdings ein starker Anstieg des Flugverkehrs konterkarieren. Die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung Iata schätzt, dass sich die Zahl der Passagiere von 3,5 Milliarden im Jahr 2015 auf sieben Milliarden im Jahr 2034 verdoppeln wird. 36 000 neue Flugzeuge sollen bis dahin in Dienst gehen.
Hinzu kommt die Wirtschaftlichkeit: Airlines müssen schon heute bis zu einem Drittel ihrer Betriebskosten für Kerosin aufwenden. Sollte Öl in den kommenden Jahrzehnten teurer werden, könnte dieser Anteil steigen. "So lange können wir nicht warten", sagt Nüsseler. "Wir müssen jetzt anfangen, technologische Alternativen zu erforschen und zu entwickeln."
Genau deshalb zaubert die Extra 330LE erste Loopings in den Himmel über Dinslaken. Hier, am Flugplatz Schwarze Heide, zwischen Maisfeldern und Pferdekoppeln, will Siemens der Zukunft näherkommen. "Wenn wir unseren Motor unter hohen Belastungen testen wollen, ist ein Kunstflugzeug genau das richtige", sagt Frank Anton. Im großen Bug des Fliegers wirkt der nur 15 Zentimeter lange E-Motor allerdings ziemlich verloren. Mithilfe numerischer Simulationen haben die Siemens-Ingenieure alle entbehrlichen Teile identifiziert und anschließend weggefräst. Übrig geblieben ist ein Leichtgewicht. Anton ist überzeugt, dass sich mit derselben Technik auch drei- oder viermal so starke Motoren bauen lassen. "Dann kämen wir in den Megawatt-Bereich, und damit ließen sich auch Flugzeuge mit bis zu 19 Passagieren antreiben", sagt der Siemens-Ingenieur.