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Ungarn übernimmt EU-Ratsvorsitz
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Budapest, 1. Juli, AZERTAC
Am 1. Juli übernimmt Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft – das Mitgliedsland, das sich am häufigsten und konsequentesten gegen die europäische Zusammenarbeit stellt und ein anderes Europa anstrebt. Was kann man von dieser Präsidentschaft erwarten?
Ungarn ist seit 2004 EU-Mitglied. Unter seinem Ministerpräsidenten Viktor Orbán übernahm es 2011 erstmals die EU-Ratspräsidentschaft. Ab dem 1. Juli dieses Jahres steht Ungarn erneut an der Spitze, obwohl es unter Orbán oft gegen die europäische Zusammenarbeit opponiert hat und an einem Europa arbeitet, das grundlegend anders sein soll.
Welche Agenda will Ungarn bei seinem zweiten EU-Ratsvorsitz setzen? - Ungarn hat seine EU-Ratspräsidentschaft unter das Motto „Make Europe Great Again“ gestellt, eine Anspielung auf das Wahlkampfmotto von Donald Trump, „Make America Great Again“. Orbán gilt als Unterstützer von Trump. Budapest will den Fokus auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU und die Verteidigungsfähigkeit Europas legen.
Ein Sprecher der ungarischen Regierung in Budapest nannte zudem die Bekämpfung der irregulären Migration als eine der Hauptprioritäten der ungarischen Ratspräsidentschaft. Er betonte die Notwendigkeit einer effektiven Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten und den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern.
Einen Tag vor Beginn der Ratspräsidentschaft kündigte Orbán ein neues Bündnis mit populistischen Parteien aus Österreich und Tschechien an. Es soll die größte Rechtsaußenfraktion im EU-Parlament werden. Die Gruppierung soll den Angaben zufolge „Patriots for Europe“ (Patrioten für Europa) heißen.
Trotz Orbáns konfrontativer Rhetorik in der Vergangenheit erwartet Politologin Ellen Bos von der Andrássy-Universität in Budapest eine professionelle und kooperative Durchführung des Vorsitzes. diese sehr scharfen Töne seien ganz stark für die innenpolitische Auseinandersetzung in Ungarn gedacht. Das Programm der Ratspräsidentschaft zeige eine versöhnliche Ausrichtung. Darin heißt es: „Ungarn wird sich als ehrlicher Makler im Geiste einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Institutionen, für den Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand eines wirklich starken Europas einsetzen.“
Dies deute darauf hin, dass Ungarn bestrebt ist, eine konstruktive Rolle zu spielen und das negative Bild, das es momentan habe, in der EU wieder aufzuhellen, so Bos. Ungarn habe zwar immer die Möglichkeit, Themen zu verschieben und Entscheidungen zu verzögern. Doch weil es in vielen Positionen Ungarns keine Mehrheit gibt, glaubt die Politologin nicht an eine grundsätzliche Änderung des Kurses, wie AZERTAC unter Berufung auf Deutschlandfunk berichtete.