WELT
Pupillenform eines Tieres verrät viel über seine Lebensweise
Baku, 8. August, AZERTAC
Räuber oder Gejagter? Die Pupillenform eines Tieres verrät viel über seine Lebensweise. Welche Vorteile dadurch entstehen, haben jetzt US-Biologen herausgefunden.
Eine Öffnung, durch die das Licht der Welt fällt. Nüchtern betrachtet ist die Pupille im Auge nicht mehr als das. Und doch ist diese Öffnung im Tierreich sehr unterschiedlich geformt. Mal ist die Pupille rund wie beim Menschen, mal ein horizontaler Schlitz wie beim Schaf. Pupillen von Katzen sind dagegen ein vertikaler Spalt, und die Öffnung der Tintenfische ist sogar W-förmig.
Nun haben Forscher eine Erklärung für diese Vielfalt gefunden - zumindest bei Landtieren. Nach den Untersuchungen von Martin S. Banks von der University of California und seinen Kollegen folgt die Form der Pupille einem einfachen Schema. Pflanzenfresser haben horizontale Schlitze, Fleischfresser vertikale, schreiben sie im Fachjournal „Science Advances“. Nur größere Raubtiere und auch der Mensch fallen aus dem Rahmen. Sie haben in der Regel kreisrunde Pupillen.
Für ihre Untersuchung verglichen die Forscher die Augenformen von mehr als 200 Tierarten und übertrugen die Daten auf einen Computer. Ihr Ziel: „Wir wollten verstehen, wieso die Pupillen so sind, und haben die Sicht durch eine horizontale und vertikale Öffnung im Computer simuliert“, sagt Banks. So konnten sie besser erklären, wie sich die Pupillenformen an die Lebensbedürfnisse der jeweiligen Tiere angepasst haben.
Panoramablick für Schafe, Tiefenschärfe für Katzen - Schon länger sind sich Biologen einig, dass sich bei Pflanzenfressern wie Zebras oder Schafen die Augen an der Seite des Kopfes befinden, damit sie ein panoramaartiges Sichtfeld haben. Banks Simulation zeigt nun, dass horizontale Augenschlitze diese Art des Sehens unterstützen. Zum einen sorgt die waagerechte Form der Pupille dafür, dass horizontale Konturen besonders scharf zu erkennen sind. Zum anderen blendet der horizontale Schlitz störendes Licht aus, das von oben ins Auge strahlt.
All das erlaubt den Pflanzenfressern, potenzielle Jäger früh zu sehen und vor ihnen zu fliehen. Banks beobachtete sogar, dass die Ausrichtung der Schlitze selbst dann bestehen bleibt, wenn sich ein Pflanzenfresser bückt: „Die Augen rotieren mit, wenn Schafe ihren Kopf senken und Gras abknabbern“, sagt er. „So bleibt der Pupillenschlitz stets parallel zum Boden.“
Anders dagegen ist es im Tierreich bei Fleischfressern. Sie brauchen keine Rundumsicht, sondern eine gute Ahnung davon, wie weit ihre Beute entfernt ist. Darum haben beispielsweise Jäger wie Katzen beide Augen an der Vorderseite des Kopfes. Das Sehen eines Ziels mit zwei Augen hilft ihnen abzuschätzen, wie weit links oder rechts etwas steht.
Die vertikalen Pupillen scheinen dieses Distanzgefühl um eine Art Tiefenschärfe zu ergänzen, schreibt Banks. Horizontale Konturen verschwimmen bei vertikalen Pupillen schon, sobald sie sich ein wenig vor oder hinter dem fokussierten Punkt befinden. Einige Zentimeter näher oder weiter weg vom Betrachter machen schon viel aus. Je nachdem, wie unscharf Objekte in der Nähe der Beute sind, weiß die Katze daher, ob eine Maus nun 40 oder 50 Zentimeter von ihr entfernt ist. So kann sie ihren Sprung auf die Beute präzisieren.
Tiger und Löwen sehen rund - Allerdings fanden die Forscher auch einige Ausnahmen. So haben nicht alle Lauerjäger vertikale Pupillen. Im Gegensatz zu Hauskatzen schauen beispielsweise Löwen und Tiger durch runde Sehschlitze. Die Vermutung der Forscher: Die vertikalen Pupillen bieten vor allem kleineren Jägern Vorteile, die Distanz zur Beute abzuschätzen.
Dan-Eric Nilsson von der schwedischen Universität Lund sieht in der Studie eine Ergänzung zu bisherigen Erkenntnissen. „Welche Tierarten welche Pupillenformen haben, wissen wir im Grunde schon länger“, sagt der Biologe, der sich auf die Erforschung des Sehens im Tierreich spezialisiert hat. „Die Erklärungsansätze von Banks sind aber neu und spannend.“
Vollends verstanden seien die Sehmechanismen im Tierreich aber auch mit dieser Studie noch lange nicht. So müsse beispielsweise noch besser erforscht werden, wie genau Fische, Vögel und auch Amphibien wie Frösche in die Welt gucken.