WELT
Konys Jagd auf das weiße Gold
Baku, den 13. Juni (AZERTAG). Mit der Wilderei auf Elefanten finanziert Kriegsverbrecher Joseph Kony seine Flucht durch Zentralafrika. Das Elfenbein bringt auf Asiens Märkten Millionen - und verlockt offenbar auch diejenigen, die eigentlich den Rebellenchef jagen sollen.
Der Garamba Nationalpark soll ein Paradies für Tiere sein, ganz im äußersten Nordosten der Demokratischen Republik Kongo. Für Menschen ist der Park eine kaum zu durchdringende Wildnis. Keine nennenswerte Straße durchzieht das Gebiet, ohne Hubschrauber ist das Fortkommen beschwerlich. Auf einer Fläche zweimal so groß wie das Saarland streifen stattdessen Nashörner, Elefanten und Wasserbüffel durch Savanne und Urwald. Doch zuletzt hat sich der Park vom Rückzugsgebiet zum Kriegsschauplatz gewandelt. Es geht um Elfenbein, viel Geld und einen gierigen Markt in Fernost. Mitten in der Schlacht: Rebellenchef Joseph Kony und seine Lord's Resistance Army (LRA).
Seit Jahren entzieht sich der international gesuchte Massenmörder seiner Festnahme. Obwohl sogar die US-Streitkräfte die Jagd mit Spezialeinheiten und einem Millionenkopfgeld unterstützen, fehlt von Kony jede Spur. Eine Frage, die sich die Fahnder immer wieder gestellt haben. Wie organisiert und vor allem finanziert Kony die nicht enden wollende Flucht seiner Streitkräfte? Eine Antwort. Auch durch die Jagd auf Elefanten und den lukrativen Handel mit Elfenbein.
Es ist unklar, wie viele Kämpfer Kony noch an seiner Seite weiß. Schätzungen lagen im Frühjahr jedoch zwischen 250 und 400 Mann. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl von Familienangehörigen der Soldaten. Während der Rebellenchef im Grenzgebiet zum Sudan und der Zentralafrikanischen Republik vermutet wird, reicht sein Einfluss bis in den Kongo - und in den Garamba Nationalpark. „Wenn es nach den LRA-Soldaten geht, haben sie im Park das Sagen, nicht die Ranger“, zitiert ein neuer Bericht des Enough-Projekts den Parkmanager Luiz Arranz. Über Monate waren die Beobachter der US-Watchdog-Organisation im Nordostkongo unterwegs.
Was sie von dort berichten, klingt beunruhigend. Immer wieder stoßen die Parkwächter auf verlassene Camps der LRA, mitten im Schutzgebiet. Von übergelaufenen Ex-Kony-Kämpfern erfahren sie Details über die Taktik des Rebellenchefs. Seit 2010 steht dessen Direktive zur Elfenbeinjagd. Zuletzt jedoch wurden die Bemühungen deutlich verstärkt.
In den vergangenen Jahren sind die Preise in Fernost explodiert. Ein Grund ist der wirtschaftliche Aufschwung in China. Noch nie konnten sich so viele Chinesen teure Statussymbole leisten wie heute - darunter fallen auch Kunstobjekte, Schmuck und Deko-Artikel aus Elfenbein. Die sprunghaft steigende Nachfrage wirkt sich direkt auf die Schwarzmarktpreise aus. Auf den Straßen von Peking kostet Elfenbein bis zu 1300 US-Dollar pro Pfund. Ein einzelner Stoßzahn kann in einigen afrikanischen Ländern das Zehnfache eines jährlichen Durchschnittseinkommens wert sein.
Das große Geschäft machen freilich nicht die Jäger im Busch, sondern Schmuggler und Händler auf der langen Reise des Elfenbeins nach Fernost.
Trotzdem scheint sich die Jagd für die Kony-Truppe zu lohnen. Die Ranger berichten in dem Enough-Bericht von aussichtslosen Feuergefechten mit technisch besser ausgerüsteten LRA-Wilderern. Diese verfügten über Satellitentelefone und GPS-Empfänger, um sich in dem unwegsamen Gelände zu orientieren und verständigen.
Weg des Elfenbeins nach Asien - Auch über die Verbreitungswege des kostbaren Materials berichten ehemalige LRA-Insider. Die erbeuteten Stoßzähne gehen über die Zentralafrikanische Republik in den Sudan oder nach Dafur - und von dort auf die Märkte in Asien. Teils wird die Fracht zu Fuß aus dem Park getragen. Augenzeugen berichten jedoch auch von unmarkierten Hubschraubern, die in LRA-Camps landen. Diese laden das Elfenbein ein, im Tausch für Lebensmittel, Waffen und Ausrüstung.
Das Fleisch der getöteten Tiere wird zumindest teilweise zur Versorgung der Truppe verwendet. „Die Offiziere haben die Stoßzähne abgehackt. Dann wurde uns Gefangenen befohlen, das Fleisch abzuscheiden und ins Camp zu transportieren“, so ein ehemaliger Gefangener, der nach einem Jahr in LRA-Gewahrsam fliehen konnte. Allein in dieser Zeit habe er an sechs Elefantenjagden teilgenommen, erklärte der 29-Jährige den Enough-Beobachtern.
Auch Armeen der Nachbarländer unter Verdacht - Doch nicht nur die Rebellen in der Unruheregion scheinen sich an dem lukrativen Geschäft mit den Stoßzähnen zu beteiligen. Im vergangenen Jahr entdeckten Ranger im Garamba Nationalpark die Kadaver von 22 Elefanten. Alle Tiere, darunter auch zahlreiche Junge, wurden durch gezielte Kopfschüsse getötet, oft nur mit einer Kugel. An den Körpern der Tiere fehlte nur das Elfenbein, kein Fleisch, wie sonst bei den Buschjägern üblich. Lediglich die Genitalien der männlichen Tiere wurden mitgenommen. In Pulverform gelten sie in Fernost als hochpreisiges Potenzmittel.
Wenige Tage nach dem Fund beobachteten die Wildhüter einen Hubschrauber der ugandischen Armee im unangemeldeten Tiefflug über dem Areal. Als sich der Pilot entdeckt wähnte, sei die Maschine abgedreht, so die Ranger.
Ihr Verdacht: Die Soldaten, die eigentlich Jagd auf Rebellenchef Kony und seine LRA machen sollen, könnten sich stattdessen als Wilderer verdingen. Das erbeutete Elfenbein dürfte auf dem Schwarzmarkt mehr als eine Million US-Dollar gebracht haben.