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Schach-Zoff erreicht neue Dimension

Baku, 29. Januar, AZERTAC
Der Zoff zwischen dem Schach-Weltverband FIDE und der von Superstar Magnus Carlsen im vergangenen Jahr mitgegründeten Freestyle Chess Tour eskaliert weiter. Beide Seiten werfen sich mittlerweile öffentlich Lügen vor. Ob die Situation noch irgendwie gelöst werden kann, ist mehr als fraglich. Ein Super-GAU droht vor allem dem Verband.
Hat der Schach-Weltverband FIDE das alleinige Recht einen "World Champion" zu küren? Nein, sagt die Organisation Freestyle Chess, die im vergangenen Jahr von Superstar Magnus Carlsen und dem deutschen Investor Jan Henric Buettner gegründet wurde. Sie will 2025 eine Turnierserie in der Variante Fischer-Random-Chess austragen, deren Sieger sich "World Champion" nennen soll.
Die FIDE untersagt die Verwendung dieser Bezeichnung und hat Freestyle Chess bereits mit einer Klage gedroht. Die Spieler forderte der Weltverband zudem auf, einen Vertrag zu unterschreiben, der es ihnen verbietet, an einer "World Championship" teilzunehmen, die nicht von ihm veranstaltet wird. Sollten sie es doch tun, werden sie über einen Zeitraum von vier Jahren von allen "FIDE World Championships" ausgeschlossen.
FIDE will vor allem eins: mehr Geld - Um die Wogen zu glätten, hat Freestyle Chess der FIDE ein äußerst verlockendes Angebot gemacht. Wie Buettner in einer öffentlichen Stellungnahme erklärte, habe man dem Verband jährlich 100.000 US-Dollar geboten, um den Begriff "World Champion" verwenden zu dürfen. Als "pure Geste des guten Willens" und um einer "Belästigung" seitens der FIDE aus dem Weg zu gehen, heißt es in dem Statement.
Weiter erklärte Buettner, dass die FIDE diese Offerte abgelehnt und stattdessen 500.000 US-Dollar verlangt habe. "Eine ungerechtfertigte Summe für ein Format, in das die FIDE nicht involviert ist", schrieb er. Das Verhalten des Verbandes sei "besorgniserregend", "nicht professionell" und "inakzeptabel". Freestyle Chess werde die Interessen der Spieler "gegen diesen Machtmissbrauch" weiter verteidigen.
Schach-Weltverband bekommt neues Angebot von Freestyle Chess - Weil die FIDE nach wie vor ihrem Standpunkt beharrt, Buettner und Co. aber eine friedliche Lösung anstreben, hat der deutsche Investor in seinem Schreiben direkt ein neues Angebot gemacht: über 50.000 US-Dollar jährlich, also die Hälfte der ursprünglich gebotenen Summe. Was sich wie eine Ohrfeige liest, ist offenkundig auch so gemeint. Freestyle Chess sieht sich im Recht - und hat dieses laut Einschätzungen der Experten auch auf seiner Seite.
Die FIDE hat es in den letzten zwei Jahren nicht geschafft, genügend Geldgeber aufzutreiben, um eine Weltmeisterschaft in der Fischer-Random-Variante auszurichten. Freestyle Chess hat hingegen alleine im letzten Jahr zwölf Millionen US-Dollar von Investoren bekommen und will dieses Geld nun dazu nutzen, um eine zuletzt brach liegende "World Championship" in dieser Variante zu veranstalten. Nur in dieser wohlgemerkt. Buettner betonte ausdrücklich, dass sich Freestyle Chess nicht in die klassische oder Schnellschach-WM einmischen werde. Der FIDE ist das aber nicht genug.
"Aber wenn ihr ein Krieg wollt, versucht es!" - Mächtig Öl ins Feuer goss in dieser Woche der umstrittene Verbands-CEO Emil Sutovsky. In einer Reihe von X-Beiträgen hob er die Bedeutung, Entwicklung und Arbeit der FIDE hervor. Freestyle Chess warf er dagegen vor, seinen Kurs geändert zu haben. An der Organisation selbst ließ er dabei kein gutes Haar und behauptete, sie sei zum Scheitern verurteilt, da es ihr nur ums Geld ginge.
"Wir lieben es, mit privaten Projekten zusammenzuarbeiten - vor allem mit ambitionierten. Aber wenn ihr einen Krieg wollt, versucht es!", richtete der FIDE-CEO martialische Worte an die Freestyle-Organisation.
Buettner kann darüber nur müde lächeln. Im Gespräch mit dem norwegischen Sender "NRK" bezeichnete er das Verhalten des Weltverbands als "unglaublich dumm. Ich habe es kommen sehen, also war es nicht überraschend, aber immer noch dumm."
Dass einer der Top-Spieler den erwähnten Vertrag der FIDE unterschreiben wird, glaube er nicht. Stattdessen sieht er für den Verband schwarze Wolken aufziehen: "All das wird dazu führen, dass die Top-Spieler zusammenhalten. Und das könnte dazu führen, dass die gesamte FIDE zerfallen wird."