GESELLSCHAFT
Weltweit schmelzen Gletscher im Eiltempo

Baku, 5. Dezember, AZERTAC
Der Klimawandel ist allgegenwärtig. Menschen spüren ihn, Tiere, Pflanzen. Forschende haben auch gezeigt, dass er an Bergen nachvollziehbar ist: Gipfelregionen erwärmen sich, Gletscher schmelzen in rasantem Tempo. Doch das trifft nicht auf alle Berggipfel zu. Eine Messstation am Mount Everest im Himalajagebirge in Nepal zeigt, dass die Temperatur sich dort nicht verändert. Warum ist das so? - Forschende haben eine Theorie entwickelt. Die Erwärmung des Klimas löst an den dortigen Gletschern demnach eine Abkühlungsreaktion aus. Diese lässt kalte Winde die Hänge hinunterfließen. Die Ergebnisse veröffentlichte das Fachteam im Fachblatt “Nature Geoscience”.
Die Klimastation des Pyramid International Laboratory/Observatory liegt auf einer Höhe von 5050 Metern neben den Gletschern Khumbu und Lobuche und erfasst seit fast drei Jahrzehnten meteorologische Daten im Stundentakt. Für die Untersuchung kombinierten die Forschenden diese Daten mit Klimamodellen aus der ganzen Welt.
Verstärkter Temperaturaustausch mit der Oberfläche - “Während die Minimaltemperaturen stetig ansteigen, sinken die Oberflächentemperaturen im Sommer kontinuierlich”, sagte Hauptautorin Francesca Pellicciotti vom Institut für Wissenschaft und Technologie in Österreich einer Mitteilung zufolge. Die Gletscher reagieren den Forschenden zufolge auf die Klimaerwärmung, indem sie ihren Temperaturaustausch mit der Oberfläche verstärken. Die globale Erwärmung führt zu einer größeren Temperaturdifferenz zwischen der wärmeren Umgebungsluft über dem Gletscher und der Luftmasse, die in direktem Kontakt mit der Gletscheroberfläche steht.
“Dies führt zu einer Zunahme des turbulenten Wärmeaustauschs an der Gletscheroberfläche und zu einer stärkeren Abkühlung der Oberflächenluftmasse”, erklärte Pellicciotti. Infolgedessen werden die kühlen und trockenen Oberflächenluftmassen dichter und strömten die Hänge hinunter in die Täler, wodurch die unteren Teile der Gletscher und die umliegenden Ökosysteme abgekühlt werden, so die Theorie des Teams.
“Wir glauben, dass die Winde die Reaktion gesunder Gletscher auf steigende globale Temperaturen sind und dass dieses Phänomen dazu beitragen könnte, den Permafrost und die umliegende Vegetation zu erhalten”, sagte Mitautor Nicolas Guyennon. Das Team konnte nachweisen, dass diese durch die Erderwärmung verursachten Winde nicht nur auf dem Mount Everest, sondern im gesamten Himalaja zu finden sind.
Nun wollen die Forschenden herausfinden, welche Gletscher auf diese Weise auf die globale Erwärmung reagieren können - und wie lange. “Während andere Gletscher derzeit dramatische Veränderungen erleben, sind die Gletscher im asiatischen Hochgebirge sehr groß, enthalten mehr Eismassen und haben eine längere Reaktionszeit”, so Pellicciotti. ”Daher haben wir vielleicht noch eine Chance, diese Gletscher zu retten.”
Pellicciotti fordert mehr interdisziplinäre Forschung, um die globale Erwärmung besser verstehen und Erkenntnisse bündeln zu können. ”Auch wenn sich die Gletscher nicht ewig selbst erhalten können, so können sie doch die Umwelt um sie herum für einige Zeit bewahren”.