Cockpit-Schutzbügel Halo schlägt ab Saison 2018 weiter hohe Wellen

Baku, 20. Juli, AZERTAC
Die entgegen der großen Mehrheit der Formel-1-Teams beschlossene Einführung des Cockpit-Schutzbügels Halo schon ab der Saison 2018 schlägt weiter hohe Wellen.
Nachdem am Mittwoch bereits durchgesickert war, dass von den zehn Teams nur eines für die Einführung des umstrittenen "Heiligenschein" plädiert hatte, will die "Bild" nun herausgefunden haben, dass es sich dabei um Ferrari gehandelt hat.
Sollte dies stimmen, hätte es einen pikanten Beigeschmack. Denn durchgedrückt wurde die Entscheidung von FIA-Präsident Jean Todt, der vor seiner Zeit an der Spitze des Automobil-Weltverbands Teamchef von Ferrari war, und der sich in der Vergangenheit bereits mit Vorwürfen konfrontiert sah, er nehme auf die Interessen seines früheren Arbeitgebers zu viel Rücksicht.
Von Vertretern anderer Formel-1-Teams wird unterdessen scharfe Kritik an der Entscheidung Todts laut. "Es ist grundfalsch diesen Cockpitschutz einzuführen", sagt Niki Lauda der "Bild". "Er ist ja noch nicht einmal richtig ausgetestet", gibt der Aufsichtsrats-Vorsitzende des Mercedes-Team zu bedenken. Die Autos seien mittlerweile so sicher und das Restrisiko so klein, dass diese Entscheidung nicht gut für die Formel 1 sei. "Es ist eine Überreaktion was die Sicherheit betrifft", meint Lauda.
Lauda sorgt sich um den ästhetischen Effekt - Auch Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko findet: "Diese Entscheidung ist gegen die DNA der Formel 1", so Marko gegenüber der "Bild". Auch er meint, Halo sei noch nicht ausreichend getestet und damit nicht ausgereift. "Wenn ein verletzter Fahrer geborgen werden muss oder wenn ein Auto brennt gibt es noch keine klaren Richtlinien, ob der Cockpitschutz nicht sogar nachteilig sein kann", so der Österreicher.
Sein Landsmann Lauda sorgt sich zudem um den ästhetischen Effekt und fürchtet, dass die in dieser Saison durch das neue Reglement bei vielen Fans neu entfachte Begeisterung für die Formel 1 durch das optisch wenig ansprechende Halo wieder abgewürgt wird. "Wir haben neue Autos gebaut, die für den Fan und für den Fahrer wieder attraktiver sind und jetzt setzt man denen ein Stahlgerüst drauf", schüttelt Lauda mit dem Kopf.
Die Formel 1 ist unter der neuen Führung von Liberty Media und mit dem veränderten Reglement in dieser Saison offenbar auf einem guten Weg - Die Boliden sehen mit ihren breiten Hinterreifen brachialer aus, das Tempo der Königsklasse hat enorm angezogen - ganz im Sinne von Fahrern und Fans. Der Automobil-Weltverband FIA sorgt nun dafür, dass auch die Sicherheit weiter verbessert wird. Das umstrittene Cockpitschutz-System Halo wird 2018 eingeführt.
FIA-Präsident Jean Todt hatte diesen Weg entgegen der Ansicht der Mehrheit der Formel-1-Teams in der gestrigen Sitzung der Strategiegruppe durchgeboxt. Sein Credo: Sicherheit geht über alles, auch wenn es einigen Fahrern nicht gefallen mag. So hatte beispielsweise Romain Grosjean als führendes Mitglied der Fahrergewerkschaft GPDA mehrfach betont, dass "weder Shield noch Halo wirklich toll" seien. Dennoch steht die GPDA hinter der Entscheidung der FIA.
"Wir Fahrer unterstützen den Weg der FIA in Richtung erhöhter Sicherheit und deren fortlaufende Bemühungen, den Rennsport immer sicherer zu machen", wird GPDA-Präsident Alexander Wurz von "Autosport" zitiert. "Das Tempo und die Rundenzeiten wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer extremer. Da muss es ein Hauptanliegen sein, auch die Sicherheit in entsprechendem Maße zu erhöhen", meint der Österreicher.
Ästhetik muss ausgeblendet werden - Erst verbesserte Sicherheitssysteme könnten die Grundlage dafür bieten, die Formel-1-Autos noch schneller fahren zu lassen. Das viel diskutierte Thema Ästhetik müsse man in diesem Zusammenhang ausblenden. "In der gleichen Zeit, wo immer alles schneller und sicherer wurde, ist die Popularität auch immer weiter angestiegen", merkt Wurz an. "Die Formel 1 ist diesbezüglich ein Vorbild. Man erhöht die Sicherheit, ohne dabei die Performance einzuschränken."
"Vielleicht gefällt die Halo-Lösung optisch nicht allen, aber wir Fahrer werden auch damit immer alles geben und auf den Strecken mit allen Mitteln kämpfen. Das ist doch das, was die Popularität der Formel 1 erhöht", meint der Ex-Formel-1-Pilot und zweimalige Le-Mans-Sieger. Die FIA hatte sich für das Halo-System entschieden, nachdem Sebastian Vettel der Alternative Shield (Windschutzscheibe) nach einem Test in Silverstone kein gutes Zeugnis ausgestellt hatte.