GESELLSCHAFT
Russland hat ein furchterregendes Aids-Problem
Baku, den 30. November (AZERTAG). HIV breitet sich in Russland derzeit schneller aus als in Afrika: Doch das tödliche Virus wird von der Gesellschaft geächtet, verdrängt und tabuisiert.
Kaum Medikamente, kein Geld, zu wenig Aufklärung: Im Kampf gegen den tödlichen Aids-Erreger gilt Russland als Entwicklungsland. „Die Regierung tut nichts“, schimpft Alexander Sawizki.
Der kräftige Mann ist selbst betroffen - schon seit zwölf Jahren lebt der 37-Jährige mit der Infektion. Wie so viele HIV-Patienten in Russland hat sich der einst Drogenabhängige mit einer verseuchten Nadel infiziert.
Nun will er helfen. Für die private Gesamtrussische Vereinigung HIV-infizierter Menschen reist er quer durch das Riesenreich, erklärt, gibt Ratschläge, schult Therapeuten. „Vor allem auf dem Land haben die Leute keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen“, sagt Sawizki.
Der Aktivist sitzt in einem Moskauer Café und rührt in seinem doppelten Espresso. Er ist - auch angesichts der Tabuisierung - einer der wenigen, die selbst die Initiative ergreifen. Klar und sachlich schildert er die Lage der Betroffenen, seine rechte Hand ist immer in Bewegung, tiefe Furchen ziehen sich durch sein Gesicht.
Wie gehen denn die meisten Infizierten mit ihrer Situation um? Sawizki schnipst sich an den Hals, die Geste kennt in Russland jeder. „Sie saufen“, heißt das. Gerade in ländlichen Gegenden, fernab von moderneren Krankenhäusern, gibt es wenig Hoffnung.
Zwar hat jeder HIV-Patient laut Gesetz das Recht auf kostenlose Medikamente. Doch bei Zehntausenden Infizierten komme keine Hilfe an, sagt Sawizki.
Protestaktionen werden von der Polizei aufgelöst - wie vor einem Jahr: Damals nahmen Sicherheitskräfte am Weltaidstag mehrere HIV-Infizierte fest, die vor dem Regierungssitz in Moskau gegen die Unterversorgung mit Medikamenten und Tabuisierung der Krankheit demonstriert hatten. Auch in diesem Jahr sind am 1. Dezember wieder Proteste geplant.
HIV wird von der Gesellschaft geächtet. Wer HIV-positiv sei, habe kaum Hoffnung auf eine Arbeitsstelle, erzählt Wadim Pokrowski vom Föderalen Anti-Aids-Zentrum.