GESELLSCHAFT
Wille allein kann eine Sucht nicht besiegen
Baku, den 14. Oktober (AZERTAG). Für eine Suchtbehandlung gilt weithin der Grundsatz, dass nur der Wille des Abhängigen für den Ausstieg erfolgsversprechend ist. US-Mediziner sagen: Das reicht nicht.
Das Loskommen von einer Sucht ist nicht nur eine Frage des Willens. Vielmehr handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Gehirns, die es zu therapieren gilt. Eine solche Herangehensweise fordert zumindest eine Gruppe von Medizinern aus den USA. “Bei einer Sucht geht es um viel mehr als nur um schlechte Gewohnheiten”, sagt Michael Miller von der American Society of Addiction Medicine (ASAM).
Miller und seine Kollegen setzen sich für die Entwicklung effektiver Behandlungsmethoden ein. Zugleich aber gilt ihr Einsatz dem Bild von Süchtigen, das in der Gesellschaft in vielen Bereichen vorherrscht. Sie wollen behandelnden Ärzten, aber auch den Betroffenen und ihren Familien deutlich machen, dass sie es mit einem ernst zu nehmenden medizinischen Problem zu tun haben, für dessen Lösung sehr viel Geduld aufgebracht werden muss.
Ein Suchtleiden müsse mit der gleichen Ernsthaftigkeit angegangen werden, wie etwa Diabetes oder eine Herzkrankheit, fordern die US-Mediziner. Dies gelte nicht nur bei Alkohol- und Drogensucht, sondern auch bei zwanghaftem Essverhalten oder Glücksspiel. Eine Therapie müsse langfristig angelegt werden und immer auch auf mögliche Rückfälle vorbereitet sein.
“Die Verhaltensstörungen sind Ergebnis einer Fehlfunktion im Gehirn”, sagt auch Nora Volkow vom staatlichen US-Institut für Drogenmissbrauch. Der Einsatz der ASAM sei daher begrüßenswert. Ihre Behörde, das National Institute on Drug Abuse (NIDA), sei ebenfalls bemüht, in der medizinischen Praxis mehr Ärzte dazu zu bewegen, ihre Patienten routinemäßig auch auf Anzeichen von Suchtverhalten hin zu untersuchen.
Schätzungen der NIDA zufolge bräuchten eigentlich allein in den USA etwa 23 Millionen Menschen eine Behandlung wegen des Missbrauchs verschiedener Substanzen. Tatsächlich erhalten lediglich etwa zwei Millionen Patienten professionelle Hilfe. Ein weiteres Problem sei die Frustration, die Rückfälle mit sich brächten, sagt Volkow.