WELT
Forscher warnen vor 2,3 Millionen zusätzlichen Todesfällen

Baku, 28. Januar, AZERTAC
Höhere Temperaturen, längere und intensivere Hitzewellen mit Nächten, in denen es sich kaum abkühlt – der fortschreitende Klimawandel bedroht die Gesundheit von Millionen Menschen. Wie viele Menschen durch steigende Temperaturen vorzeitig sterben werden, ist schwierig zu untersuchen, weil unzählige Faktoren relevant sind. Dennoch hat ein Forschungsteam es probiert.
Die im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlichte Erkenntnis: Sollte die Menschheit keine Maßnahmen ergreifen, um die Erderwärmung zu stoppen oder sich an sie anzupassen, könnten temperaturbedingte Todesfälle in europäischen Städten bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 50 Prozent steigen. Das würde mehr als 2,3 Millionen zusätzliche Todesfälle bedeuten. Insbesondere die Menschen in Südeuropa wären demnach betroffen.
Temperaturbedingte Todesfälle bis 2099 – “Unsere Ergebnisse betonen die dringende Notwendigkeit, sowohl die Minderung des Klimawandels als auch die Anpassung an die zunehmende Hitze entschlossen voranzutreiben“, sagt der Leiter der Studie, Pierre Masselot, in einer Pressemitteilung. „Dies ist besonders im Mittelmeerraum von entscheidender Bedeutung, wo die Folgen verheerend sein könnten, wenn nichts unternommen wird“, sagt der Forscher der London School of Hygiene & Tropical Medicine weiter.
Das Team um Masselot hat drei Klimawandelszenarien (SSP) und vier Anpassungsszenarien modelliert, um die zukünftige Sterblichkeit in 854 Städten in 30 europäischen Ländern abzuschätzen.
Mithilfe von Daten zu Temperatur und Sterblichkeit haben sie berechnet, wie sich die Anzahl der kälte- und hitzebedingten vorzeitigen Todesfälle bei fortschreitendem Klimawandel entwickeln wird und inwiefern dies die Gesamtbilanzen verändert.
Warnung für Malta, Italien und Bulgarien - Würde nicht durch Anpassungsmaßnahmen gegengesteuert, schreiben die Autoren, würden im Szenario mit dem stärksten Temperaturanstieg (SSP3) in den 85 Jahren von 2015 bis 2099 insgesamt mehr als 2,3 Millionen Menschen und damit 50 Prozent mehr als aktuell temperaturbedingt vorzeitig sterben.
Alle Szenarien und Anpassungsvarianten sind mit ausgesprochen großen Unsicherheiten belastet, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete. Was jedoch deutlich wird: Wie stark jemand von den Klimawandelfolgen betroffen ist, hängt auch vom Wohnort ab. Das Leben der Menschen in Ländern wie Malta, Italien und Bulgarien ist bedrohter als das der Bevölkerungen in nördlichen Ländern wie Irland und Litauen.
Vorhersage mit Unsicherheiten – „Die große geografische Abdeckung ist eine Stärke der Studie“, sagte Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut auf Nachfrage des Science Media Center (SMC). Die Hauptresultate stünden im Einklang mit bisherigen ähnlichen Studien und zeigten, dass im südlichen Europa die hitzebedingte Sterblichkeit überwiegt, während im Norden die kältebedingte Sterblichkeit dominiert, sagte der Forscher weiter.
„Ebenfalls unbestritten ist, dass mit zunehmender Erwärmung die hitzebedingte Sterblichkeit zunimmt und die kältebedingte Sterblichkeit abnimmt und dass mit Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen diese beiden Effekte reduziert werden können“, erklärt Röösli.
Sowohl die Autorinnen und Autoren der Studie als auch Fachleute wie Röösli, der nicht an der Studie beteiligt war, betonen zugleich die Unsicherheit der Prognosen. Man solle die Ergebnisse nicht als definitive Vorhersagen interpretieren, so der Tenor.