GESELLSCHAFT
Gentherapie verbessert Tonqualität von Hörprothesen
Baku, den 26. April (AZERTAG). Die Technik könnte Menschen mit Cochlea-Implantaten helfen, Musik wahrzunehmen. Mit elektrischen Stößen haben Forscher Gene in das Ohrgewebe von Meerschweinchen mit Hörprothesen geschleust. Anschließend funktionierten die Geräte besser.
Hörverlust zählt zu den häufigsten Sinneseinbußen: Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind global etwa 360 Millionen Menschen betroffen. Meist sind Alter, Lärm oder genetische Defekte die Ursache - doch ist der Hörnerv noch intakt, kann ein Implantat für die Cochlea, die Hörschnecke, helfen. Das seit mehr als drei Jahrzehnten angewandte Verfahren wandelt Schall in elektrische Impulse um, die der Hörnerv an das Gehirn weiterleitet, so dass die Träger Geräusche hören und vor allem Sprache verstehen können. Akustische Feinheiten bleiben ihnen jedoch weitgehend verwehrt. Eine neue Gentherapie soll das nun ändern.
„Leute mit Cochlea-Implantaten können Gesprochenes gut verstehen, aber ihre Wahrnehmung von Tonhöhen kann so schlecht sein, dass ihnen die Freude an Musik entgeht“, sagt Gary Housley von der University of New South Wales in Sydney.
Bereits bekannt war, dass der Wachstumsfaktor BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) Nervenzellen dazu anregt, Richtung Cochlea-Implantat zu wachsen. So könnten die Träger der Hörprothesen akustische Reize zukünftig sensibler wahrnehmen, etwa bei Musik, berichten die Forscher in einer Studie im Fachblatt „Science Translational Medicine“, die von dem Implantat-Hersteller Cochlear Limited mitfinanziert wurde.
Bislang konnten Forscher das Gen für die Bildung von BDNF allerdings kaum in das Gewebe einschleusen. Dazu verwendeten Housley und Kollegen nun bei Meerschweinchen die sogenannte Elektroporation. Dabei machen elektrische Impulse die Zellmembran durchlässig, so dass das Gewebe neue DNA-Teile aufnehmen kann.
Gene einschleusen in Minutenschnelle - Nach der Behandlung reagierten die Meerschweinchen besonders empfindlich auf Geräusche, schreiben die Forscher. Zwar ließ die BDNF-Produktion nach drei bis sechs Wochen wieder nach. Housley glaubt jedoch, dass sie sich über die Aktivität des Cochlea-Implantats aufrechterhalten ließe.
Die Elektroporation selbst sei einfach, betonen die Forscher. „Wir halten es für möglich, dass diese Gentherapie die Transplantation in Zukunft nur um ein paar Minuten verlängert“, sagt Erstautor Jeremy Pinyon. „Der Chirurg, der das Gerät einsetzt, injiziert die DNA-Lösung in die Cochlea und feuert nach dem Einsetzen elektrische Impulse, um den DNA-Transfer auszulösen.“
In einem Kommentar schreiben Robert Shepherd und Andrew Wise von der University of Melbourne, dass es noch offene Fragen gebe, etwa nach der Dauer der Wirkung oder der optimalen Elektroporation. Grundsätzlich biete sich das Verfahren aber auch für andere Anwendungen an, etwa um beschädigte Nerven zu stimulieren, bei Netzhautprothesen oder bei der Tiefen Hirnstimulation, die vor allem gegen die Parkinson-Krankheit angewendet wird. Dabei sollen elektrische Impulse in einer bestimmten Hirnregion verhindern, dass Zellverbände krankhaft im Gleichtakt feuern und so Symptome wie Steifheit oder Zittern auslösen. Zunächst muss aber sichergestellt werden, inwiefern die Methode beim Menschen funktioniert.