WELT
Manche Menschen laufen wie Affen
Baku, den 3. Juni (AZERTAG). Der menschliche Fuß knickt beim Laufen am Ballen ein. Doch bei manchen Zeitgenossen nicht nur da. Forscher haben beobachtet, dass sich Probanden zum Teil ähnlich fortbewegen wie Schimpansen - oder wie Vormenschen. Es gibt zwei mögliche Erklärungen.
Wer ständig klettert, braucht auch die richtige Ausstattung. Der Mittelfuß von Schimpansen ist deswegen besonders flexibel. Und auch Vormenschenarten wie Australopithecus sediba, die sich vor zwei Millionen Jahren noch gern in Bäumen aufhielten, profitierten von dieser anatomischen Besonderheit. Seit geraumer Zeit allerdings gehören Klettertouren im Gehölz nicht mehr zum menschlichen Alltag. Forscher gingen deswegen davon aus, dass dem modernen Menschen die Fähigkeit zum doppelten Einknicken des Fußes abhanden gekommen ist.
Doch Jeremy DeSilva und Simone Gill von der Boston University berichten nun im Fachmagazin „American Journal of Physical Anthropology“, dass zumindest manche Menschen doch ihren Mittelfuß einknicken können - so wie es einst unsere Vorfahren taten. Das heißt, ihr Fuß ist nicht nur am Ballen flexibel, sondern noch an einer weiteren Stelle. Bei den meisten Menschen halten Bänder das dafür zuständige Gelenk starr. Das soll die Kraftübertragung beim Gehen effizienter machen. Doch offenbar ist das nicht bei allen Zeitgenossen der Fall.
Ein Makel durch moderne Schuhe? - Die Wissenschaftler hatten mehr als ein Jahr lang Freiwillige in einem Museum von Boston beobachtet. Dabei filmten sie die Füße der Probanden, außerdem ließen sie diese über eine mit Sensoren ausgestattete Matte laufen. In die Auswertung flossen die Daten von knapp 400 Erwachsenen ein. Dabei zeigte sich, dass acht Prozent der Getesteten über einen zumindest teilweise flexiblen Mittelfuß verfügten. Diese Menschen hatten im Schnitt einen höheren Body-Mass-Index und plattere Füße.
DeSilva interessiert sich schon länger dafür, wie unsere Vorfahren einst liefen. Er gehört zu einem Forscherteam, das im April im Fachmagazin „Science“ berichtet hatte, dass Australopithecus wohl schlecht zu Fuß war. Ob der neue Fund nun tatsächlich ein evolutionäres Erbe aus der Zeit dieser Baumbewohner belegt, wissen die Forscher aber nicht.
Sie gehen davon aus, dass der flexible Mittelfuß die Kraftübertragung beim aufrechten Gang ineffizienter macht. Insofern wäre diese anatomische Konstruktion evolutionär im Nachteil gewesen, als unsere Vorfahren die Bäume verließen. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass die Flexibilität im Mittelfuß damals verschwand - und erst seit vergleichsweise kurzer Zeit wieder beim Menschen auftritt. Moderne Schuhe sollen dafür verantwortlich sein.
Der „New Scientist“ berichtet dagegen von einer Analyse des Forschers Robin Huw Crompton von der Universität im britischen Liverpool. Diese soll belegen, dass der flexible Mittelfuß beim modernen Menschen sogar noch weiter verbreitet ist, als DeSilva und Gill beobachtet haben. Der Brite geht im Gegensatz zu seinem amerikanischen Kollegen davon aus, dass es sich in der Tat um ein anatomisches Relikt aus früheren Zeiten handelt. Die Flexibilität des Mittelfußes sei wichtig, um mit Geschwindigkeitsänderungen beim Laufen klarzukommen - und würde damit durchaus evolutionäre Vorteile bieten. Das würde bedeuten, dass der flexible Mittelfuß beim Menschen nie verschwunden ist.