GESELLSCHAFT
Mit Computerspielen die Stimmen im Kopf besiegen
Baku, den 23. November (AZERTAG). Schizophrenie gilt als unheilbar. Nun hat eine amerikanische Psychiaterin eine neue Methode gegen die Symptome der Krankheit entwickelt. Sie basiert auf Computerspielen.
John weiß von der Verschwörung. Der Mann vom Pentagon hat ihn in die Pläne der Russen eingeweiht. Sie wollen eine Atombombe ins Land schmuggeln und einen Anschlag verüben, hat er gesagt. John weiß, dass es wahr ist. Er hat die Codes dechiffriert, die die Russen in Zeitungsartikeln versteckt haben. Und er hat sie gesehen: Männer mit roten Fliegen, die nachts vor seinem Haus lauern. Sie haben es auf ihn abgesehen. Warum glaubt ihm keiner?
Weil es nicht wahr ist. John Forbes Nash, amerikanischer Mathematiker und Wirtschaftsnobelpreisträger, war erst 30, als die Ärzte bei ihm Schizophrenie diagnostizieren. Die Geschichte des aufstrebenden Forschers, dessen Wahnvorstellungen seine Karriere beendeten, ist weltberühmt. Spätestens, seit sie 2001 in A Beautiful Mind verfilmt wurde. Der Film bewegt sich nah an der Realität. „Schizophrenie beraubt Menschen ihrer Begabungen und Fähigkeiten“ sagt die Psychiaterin Sophia Vinogradov von der University of California in San Francisco. Sie arbeitet derzeit an einer neuen Behandlungsmethode:
Als Nash erkrankte, war das menschliche Gehirn kaum erforscht. Heute ist die Ursache von Schizophrenie, unter der weltweit etwa 51 Millionen Menschen leiden, zwar immer noch nicht endgültig geklärt. Dank neuer bildgebender Verfahren wissen Forscher aber, was die Erkrankung im Gehirn bewirkt: Der Hippocampus verkleinert sich, in mehreren Hirnregionen lässt die Aktivität der Nervennetzwerke nach.
Die Psychiaterin Vinogradov hat sich dieses neue Wissen für ihre Forschung zunutze gemacht. Auf der Falling Walls Conference in Berlin präsentierte Vinogradov Anfang November eine neue Behandlungsmethode für schizophrene Menschen: das Computerized Cognitive Training, ein Gehirntraining am Computer, das die gestörten Hirnareale wieder aufleben lassen soll.
„Mit unserer computergestützten Methode können Patienten ihre Hirnleistung spielerisch trainieren“, sagt Vinogradov. In Zusammenarbeit mit der IT-Firma Posit Science in San Francisco haben sie und ihr Team Computerspiele entwickelt, in denen Schizophreniekranke genau das tun müssen, was ihnen wegen ihrer Krankheit große Schwierigkeiten bereiten: Gesichter erkennen, Geräusche verarbeiten und sich an Erlebnisse erinnern.
Die meisten der Spiele sind erstaunlich simpel. Den Patienten wird beispielsweise eine Reihe von Tönen vorgespielt und sie müssen entscheiden, welcher der Töne aufsteigend und welcher absteigend ist. Je nach Tonrichtung betätigen die Patienten auf dem Touchscreen entweder den Pfeil nach unten oder den nach oben. „Für gesunde Menschen ist das trivial, doch im Gehirn von schizophrenen Menschen funktioniert das auditive Verarbeitungssystem nicht richtig – alles was mit Tönen und Geräuschen zusammenhängt, ist für sie problematisch“, sagt Vinogradov. Diese Störungen seien ein Grund dafür, dass viele Schizophrene Stimmen hören.