Zerstörung tropischer Regenwälder auf höchstem Stand seit 2002

Baku, 22. Mai, AZERTAC
So viel tropischer Urwald ist seit mindestens zwei Jahrzehnten nicht mehr zerstört worden: Laut der Forschungsorganisation World Resources Institute (WRI) wurden 2024 insgesamt 6,7 Millionen Hektar Tropenurwald vernichtet – und damit eine Fläche von der Größe Panamas. Dies sei der höchste Stand seit dem Beginn der Erhebung entsprechender Daten im Jahr 2002. „Das ist weltweit Alarmstufe Rot“, sagte WRI-Co-Direktorin Elizabeth Goldman.
Der Bericht konzentriert sich auf Tropenwälder, die am stärksten bedroht und besonders wichtig für die Artenvielfalt und die Speicherung des Treibhausgases CO₂ sind. Das WRI wertete dafür zusammen mit der University of Maryland aktuelle Daten der Plattform Global Forest Watch aus, die seit 2002 Informationen zur Zerstörung tropischer Urwälder zusammenträgt. Demnach wurde vergangenes Jahr minütlich eine Fläche von der Größe von 18 Fußballfeldern zerstört. Im Vergleich zu 2023 sei dies ein Anstieg um 80 Prozent.
Fast die Hälfte der Zerstörungen geht der Studie zufolge auf Brände zurück. Sie sind damit erstmals ein wichtigerer Faktor für die Tropenwaldzerstörung als die Landwirtschaft. Durch die Waldbrände wurden nach Erkenntnissen der Experten 3,1 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt. Das ist etwas mehr als die jährlichen Emissionen des Energiesektors von Indien.
Auch wenn Waldbrände natürliche Ursachen haben können, werden laut WRI die meisten Feuer in Tropenwäldern vom Menschen verursacht. Zudem trägt der von Menschen gemachte Klimawandel zu häufigeren und intensiveren Waldbränden bei.
Im brasilianischen Amazonasgebiet ging besonders viel Wald verloren - Allein Brasilien registrierte vergangenes Jahr die Zerstörung von 2,8 Millionen Hektar Urwald, zwei Drittel davon durch Brände. Diese würden oft gelegt, um Platz für den Anbau von Soja oder für Viehweiden zu machen, erläuterte das WRI.
2023 hatte Brasilien noch relativ gute Daten zur Waldentwicklung vorlegen können, weil Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva im ersten Jahr seiner neuen Amtszeit Schutzmaßnahmen verfügte. „Dieser Fortschritt wird weiter durch die Expansion der Landwirtschaft bedroht“, warnte WRI-Forscherin Sarah Carter. Besonders stark von den Waldzerstörungen betroffen war das brasilianische Amazonasgebiet.
Die WRI-Zahlen, die alle Ursachen für die Waldzerstörung einbeziehen, kommen zu einem schlechteren Ergebnis als der brasilianische Waldmonitor MapBiomas , der vergangenen Donnerstag vorgelegt worden war. Dieser schaut aber nur auf die Abholzung. Demnach war die Entwaldung in Brasilien 2024 zurückgegangen.
Den zweiten Platz auf der Rangliste der weltweiten Tropenwaldzerstörung belegt laut WRI Brasiliens Nachbarland Bolivien, wo vergangenes Jahr dreimal so viel Wald zerstört worden sei wie im Vorjahr, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete. Hauptfaktor seien auch dort Brände gewesen. Ein Großteil davon sei gelegt worden, um Platz für „Bauernhöfe von industriellem Ausmaß“ zu machen, heißt es in der Studie. Immerhin in den südostasiatischen Ländern Indonesien und Malaysia verbesserte sich der Schutz der Tropenwälder.
Bergbau trägt zunehmend zu Waldzerstörung bei - Die Verdrängung von Tropenwäldern ist historisch gesehen insbesondere auf vier Produkte zurückzuführen: Palmöl, Soja, Rindfleisch und Holz. Während es in manchen Bereichen wie dem Palmöl Verbesserungen in puncto Walderhalt gab, treten mit der erhöhten Nachfrage nach anderen Produkten wie Avocados aus Mexiko oder dem vermehrten Anbau von Kakaobohnen und Kaffeebohnen neue Probleme auf.
Die Ursachen für die Waldzerstörung blieben also „nicht immer dieselben“, erklärte Rod Taylor, Leiter des WRI-Waldprogramms. So bereiteten mittlerweile auch der Bergbau und die Nachfrage nach bestimmten Metallen verstärkt Probleme.