WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Archäologen lüften Geheimnis um spanische Grabkammer von Menga
Baku, 27. August, AZERTAC
Die Menschen in der Jungsteinzeit vor knapp 6000 Jahren besaßen bereits erstaunlich ausgeprägte Kenntnisse der Baukunst. Das schließen Wissenschaftler um José Antonio Lozano Rodríguez vom Ozeanischen Institut der Kanaren aus einer Untersuchung des Dolmens von Menga in Südspanien, einem der größten Steinzeitbauten in Europa. Für ihre Studie im Fachblatt „Science Advances“ rekonstruierten sie, wie die Steinzeitmenschen beim Bau vorgegangen sein könnten – mithilfe eines cleveren Tricks.
Der Dolmen, eine Grabkammer, zählt wie der später erbaute Steinkreis in Stonehenge zu den Megalith-Bauwerken. Die Megalith-Kultur breitete sich vor rund 6000 Jahren in Westeuropa aus. Bis heute stellt es Forschende vor ein Rätsel, wie die damaligen Menschen die teils tonnenschweren Steine transportierten und aufstellten.
Transport auf Holzschlitten - Insgesamt besteht der Dolmen aus 32 Riesensteinen, 27 davon stehen senkrecht als Seiten- und Rückwände sowie Pfeiler im Inneren der Anlage, fünf bilden die Decke. Der schwerste Deckstein wiegt gut 150 Tonnen. Die Steine stammen aus einem Steinbruch in ungefähr einem Kilometer Entfernung, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete.
Anhand von Messungen und geologischen Untersuchungen zeigten die Forschenden, dass die Erbauer damals offenbar zunächst Fundamentgruben für die seitlichen Großsteine aushoben. Dann zogen sie die Brocken auf Holzschlitten heran und kippten sie mithilfe von Gegengewichten und Rampen in die Gruben. So ragten die Steine, nun präzise in einem Winkel ausgerichtet, nur wenig aus dem Boden heraus.
Steine besonders behauen - Mit dem Trick vermieden die Erbauer des Monuments, dass sie die tonnenschweren Decksteine später anheben mussten, um sie auf die seitlichen Steine zu hieven. Dazu hätten ihnen vermutlich die Hilfsmittel gefehlt. Stattdessen konnten sie die Steine an ihre Position ziehen und dann an der Oberkante der senkrechten Steine ausrichten. Erst danach wurde der Innenraum der Grabkammer ausgehöhlt.
Zudem bearbeiteten die Menschen die Decksteine offenbar so, dass sie eine leichte Bogenform aufwiesen. Dies helfe, die Belastung vom Zentrum der Steine zu den Seiten hin abzuleiten, schreiben die Autoren in ihrem Artikel. Ihres Wissens nach handle es sich bei dem Dolmen von Menga um die erste von Menschen gebaute Steinstruktur, die als Entlastungsbogen diene.
Den Bau eines Monuments wie Menga könne man nicht verstehen, »ohne auf die Vorstellung von einer frühen Wissenschaft zurückzugreifen«, schließen die Autoren. „Unsere Ergebnisse stehen im völligen Widerspruch zu der Vorstellung, dass neolithische Gesellschaften primitiv und grob waren.”