WIRTSCHAFT
Chinas Machthaber müssen loslassen
Baku, den 14. März (AZERTAG). Chinas Wirtschaftsboom lässt nach, das Wachstum ist so niedrig wie seit 13 Jahren nicht mehr. Der künftige Präsident Xi verspricht Reformen, doch das wird nicht reichen. Um den Wohlstand zu erhalten, muss die Regierung Kontrolle abgeben. Die Allmacht der kommunistischen Partei gerät ins Wanken.
Während meiner Zeit in China wohnte ich kurze Zeit bei der Mutter einer Freundin in der Stadt Yantai. Frau Zhang, eine ältere Dame mit Anglerhut, bezog dort gerade ihr neues Apartment: eine Drei-Zimmer-Wohnung im 23. Stock eines Wolkenkratzers, moderne Küche, geräumiges Bad, Panoramablick aufs Meer. Zuvor hatte sie in einer viel kleineren Wohnung in der Altstadt residiert.
Frau Zhang hat von Chinas Aufschwung profitiert. So wie viele Millionen andere Chinesen lebt sie mit der Perspektive stetig wachsenden Wohlstands. Sie ist die wichtigste Klausel im ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag zwischen Bevölkerung und Kommunistischer Partei. Zwar revoltiert das Volk gegen die grässliche Umweltverschmutzung, zwar bloggt es gegen die Korruption in der Spitze der Kommunistischen Partei (KP). Doch eine landesweite Revolution ist nicht in Sicht - solange die Wirtschaft stabil wächst.
Jetzt stößt der Deal „Wachstum gegen Gehorsam“ an seine Grenzen. „China ist weit instabiler, als es im Ausland wahrgenommen wird“, sagte ein Pekinger Diplomat im November 2012 bei einem gemeinsamen Mittagessen. Damals wunderte ich mich noch. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt im Land und zahlreichen Gesprächen wundere ich mich nicht mehr.
Um 7,8 Prozent hat das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr zugelegt. Aus europäischer Sicht ein hoher Wert, aus chinesischer der schwächste seit 13 Jahren. Tendenz sinkend: In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres flaute das Wachstum der Industrieproduktion ab, die Inflationsrate stieg. Chinas Wachstum ist zudem schon jetzt künstlich hoch: Fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung geht derzeit auf Investitionen zurück; in der EU sind es 20 Prozent. China dopt seine Wirtschaft mit billigen Krediten, mit staatlich verordneten Bauprojekten. Ohne diese wäre das Wachstum schon jetzt niedriger.