WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Driftende Platten lassen Mars beben
Baku, den 13. August (AZERTAG). Auch der Mars kann offenbar beträchtlich zittern. Satellitenbilder zeigen, dass sich beide Flanken einer gigantischen Schlucht um 150 Kilometer gegeneinander verschoben haben. Anscheinend driften Platten umher wie auf der Erde.
Über den Mars driften möglicherweise Kontinentalplatten. Er wäre damit neben der Erde der zweite Planet des Sonnensystems mit einer Plattentektonik. Hinweise darauf hat ein US-amerikanischer Geologe bei der Analyse von mehr als hundert hochauflösenden Satellitenaufnahmen gefunden.
Seinen Analysen zufolge müssen sich die beiden Seitenwände der Valles Marineris, eines gewaltigen Schluchtensystems des Mars, im Laufe von Millionen von Jahren um rund 150 Kilometer gegeneinander verschoben haben. Das erkenne man unter anderem daran, dass die Ränder alter Einschlagskrater einander nicht mehr gegenüberliegen, berichtet An Yin von der University of California in Los Angeles im Fachmagazin „Lithosphere“.
Seiner Ansicht nach könnte der gewaltige Bruch auch heute noch aktiv sein und sogar Beben auf dem Mars auslösen. Allerdings sei die Bewegung des Untergrunds sehr viel langsamer als die irdische Plattentektonik. Vermutlich ruhe das System für lange Zeit und wache nur alle paar Millionen Jahre mal auf.
Im Gegensatz zur Erde, auf der sich sieben größere und zahlreiche kleinere Bruchstücke der Erdkruste gegeneinander bewegen, besitzt der Rote Planet offenbar nur zwei tektonische Platten. „Der Mars ist in einem primitiven Stadium der Plattentektonik“, erklärt Yin.
Der „Grand Canyon“ des Mars-Weil der Planet kleiner sei als die Erde und weniger Hitze in seinem Inneren gespeichert habe, stehe auch weniger Energie für die Bewegung der Platten zur Verfügung. Auf der Erde treiben Strömungen im zähflüssigen Gestein des Erdinneren die Drift der Kontinente an. Wie Eisschollen auf dem Meer werden sie von diesen Strömungen mitgezogen. Bereits 2005 hatten Forscher Hinweise auf eine Plattentektonik auf dem Mars gefunden.
Für seine Studie hatte der Forscher mehr als hundert hochauflösende Aufnahmen des südlichen Teils der Valles Marineris ausgewertet, die verschiedene Marssonden in den vergangenen Jahren geliefert hatten. Der große Graben des Roten Planeten ist insgesamt mehr als 4.000 Kilometer lang und bis zu 7 Kilometer tief. Er gilt als das größte Bruchsystem des Sonnensystems und wird oft auch als Grand Canyon des Mars bezeichnet. Lange Zeit vermuteten Forscher, die gewaltige Schlucht sei vor Milliarden Jahren durch einen Bruch in der sich abkühlenden Kruste des Planeten entstanden.
„Als ich die Aufnahmen vom Mars studierte, glichen viele der Strukturen den aktiven Verwerfungssystemen, die ich vom Himalaya und aus Kalifornien kannte“, berichtet Yin. So seien der Graben und seine Seitenränder in Ost-West-Richtung gegeneinander verschoben. Das passe nicht zu der Vorstellung, dass der Untergrund einfach nur aufgeplatzt sei. Stattdessen gleiche es eher einer Plattengrenze ähnlich der am Toten Meer auf der Erde.
Wie in Kalifornien- „Die Kruste des Mars ist offensichtlich gebrochen und bewegt sich horizontal“, erklärt der Geologe. Das Ausmaß der Verschiebung - 150 Kilometer - sei etwa halb so groß wie an der San Andreas Verwerfung in Kalifornien. An dieser Nahtstelle der Erde driftet die Pazifische an der Nordamerikanischen Erdplatte vorbei und löst dabei immer wieder schwere Beben aus.
Der Geologe hat zwei Kontinentalplatten beiderseits des marsianischen Grand Canyon identifiziert, die er Valles Marineris Nord und Süd getauft hat. Hinweise auf weitere Platten sehe er bisher nicht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in anderen Regionen des Mars noch tektonische Platten gibt, ist sehr gering“, sagt Yin. Denn außer den Valles Marineris gebe es keine weiteren eindeutigen Gräben oder Verwerfungszonen.
Der Forscher hält seine Ergebnisse für sehr verlässlich, räumt aber ein, dass noch viele Fragen offen bleiben. „Ich verstehe noch nicht so ganz, warum sich die Platten in diesem Ausmaß bewegen und in welcher Geschwindigkeit sie dies tun“, sagt Yin. Die Wanderungsrate müsse deutlich langsamer sein als auf der Erde. Möglicherweise besitze der Rote Planet eine andere Form der Plattentektonik als diese.