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Gen-Mäuse können Licht riechen
Der Geruchssinn ist von allen Sinnen der chemisch komplexeste. Er muss es schaffen, Millionen von Gerüchen zu unterscheiden - auch wenn die oft nur in winzigen Nuancen voneinander abweichen. Jeder Duftstoff spricht nur eine ganz spezielle Gruppe von Empfängereinheiten in der Riechschleimhaut der Nase an. Diese wiederum aktivieren ebenfalls nicht alle, sondern nur ganz bestimmte Geruchsschaltstellen im Gehirn.
Dazu kommt, dass keine Geruchswahrnehmung vollständig einer zweiten gleicht. Die Informationen, die unser Gehirn mit jedem Einatmen erreichen, weichen jedes Mal ein wenig voneinander ab. Genetisch veränderte Mäuse sollen Forschern nun dabei helfen, die komplizierten Abläufe im Gehirn besser zu verstehen.
Auch wenn es einigermaßen bizarr klingt: Die Tiere reagieren auf Helligkeitsreize, als seien es Aromen - und ermöglichen damit interessante Experimente: Durch Licht können bei den Mäusen gezielt einzelne Duftstoffe stimuliert werden. Dadurch lässt sich die Reaktionskette, die sie in Gang setzen, leichter verfolgen.
Im Fachmagazin "Nature Neuroscience" berichten die Wissenschaftler um Venkatesh Murthy von der Harvard University in Cambridge von ihrem Ansatz. Entscheidend sind dabei die sogenannten Channelrhodopsine. Bei diesen Transportproteinen wird durch Licht die Leitfähigkeit für bestimmte Ionen gesteuert, die für die Reizweiterleitung entscheidend sind. Die genveränderten Mäuse exprimierten die Channelrhodopsine nun in den Neuronen des olfaktorischen Systems. Deswegen lassen sich die Geruchsrezeptoren gut von außen stimulieren.
Den Wissenschaftlern gelang es, durch Lichtstrahlen winzigen Durchmessers einzelne Sensorneuronen der Tiere zu stimulieren. Anschließend konnten sie die im sogenannten Riechkolben der Tiere ausgelöste Aktivität beobachten. Der Riechkolben oder Bulbus olfactorius ist eine Ausstülpung im vorderen Bereich der Großhirnrinde. Das Areal ist Anknüpfungspunkt für die Riechnerven, die hier ihre Informationen über Geruchseindrücke weitergeben.
Aus ihren Experimenten konnten die Forscher bereits einige neue Erkenntnisse gewinnen: Wie das Gehirn einen Riechreiz verarbeitet und der Geruch letztlich wahrgenommen wird, hängt demnach nicht nur von der Zusammensetzung des Geruchs ab, sondern zu großen Teilen auch von der Dauer des Einatmens.
Auch bei Menschen kann sich der Geruchssinn im Laufe des Lebens entwickeln. Durchschnittlich Geruchserprobte unterscheiden etwa 5000 Gerüche. Wer sich vielen verschiedenen Duftreizen aussetzt, kann sein Geruchsrepertoire erweitern und verfeinern.