GESELLSCHAFT
Steigende Temperatur: Tauende Böden bedrohen Millionen Arktis-Bewohner

Baku, 18. Januar, AZERTAC
Durch steigende Temperaturen ist der Lebensraum von bis zu drei Millionen Menschen in der Arktis gefährdet. Bewohner von Grönland, der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, Nordkanadas und Russlands hätten bereits heute mit dem Auftauen der Permafrost-Böden zu kämpfen, wie eine aktuelle Studie zeigt, die im Fachjournal „Communications Earth and Environment“ erschien. Die Forschenden aus Österreich, Dänemark und Schweden haben die Folgen des tauenden Untergrunds über mehrere Jahre hinweg zusammen mit Betroffenen in vier arktischen Gebieten untersucht. In den meisten dieser Siedlungen leben indigene Menschen.
Durch das Schmelzen können Häuser ins Rutschen kommen oder sich Straßen verformen, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete. Zudem können Erdrutsche und Steinschläge Zufahrtswege blockieren, heißt es in der Studie. In einigen Gegenden kann sich die Wasser- und Lebensmittelversorgung verschlechtern. Schon jetzt müssten Menschen umgesiedelt werden. Durch die Erosion der Küste seien kulturelle Stätten, Häfen und die Fischerei bedroht.
Wenn etwa Jagd- und Fischerhütten ins Wasser abrutschen, wirke sich das auf die Nahrungsbeschaffung und auf die traditionelle Lebensweise von indigenen Menschen aus, sagte Hauptautorin Susanna Gartler, die als Anthropologin an der Universität Wien forscht. Auch ganze Siedlungen mit Wohnhäusern sind betroffen, wie etwa Nuugaatsiaq auf Grönland. Ein Erdrutsch löste dort 2017 einen Tsunami aus, der verheerende Schäden anrichtete. Das Abtauen setzt zudem schädliche Stoffe aus alten Öl- und Gasgruben frei. Es handle sich dabei nicht um zukünftige Gefahren, sondern um Entwicklungen, die bereits voranschreiten, sagte Gartler.
Trotz der Risiken: Es gibt mehr Aktivitäten in der Arktis - Als Permafrost wird Boden bezeichnet, der für mindestens zwei Jahre in Folge durchgängig gefroren ist. Er kommt in Gegenden vor, in denen die Temperaturen über mehrere Jahre hinweg bei null oder unter null Grad Celsius liegen. So gibt es Permafrost vorwiegend in der Arktis, aber auch im Hochgebirge und in der Antarktis. In Deutschland etwa gibt es Permafrost nur auf der Zugspitze.
In den Böden der Arktis sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert. Mittlerweile entweicht in der dortigen Tundra mehr CO₂ in die Atmosphäre, als der Boden aufnimmt, meldete die US-Ozeanografie- und Atmosphärenbehörde Noaa im vergangenen Dezember. Demnach verlieren die Arktisböden ihre Funktion als Kohlenstoffsenke.
Dennoch äußerten sich viele Menschen in den untersuchten Gebieten zuversichtlich, dass sie auch weiterhin dort leben können, wie die Forscherin erzählte. „Es wird immer und immer wieder betont, dass sich Inuit und indigene Menschen seit Tausenden Jahren an verändernde Gegebenheiten angepasst haben“, sagte sie.
Insgesamt wird die Arktis durch die Klimakrise sogar eher bewohnter. Denn durch die Erderwärmung wird die Region zugänglicher, höhere Temperaturen machen es dem Menschen leichter, sich auch dort auszubreiten. Forschende der Universität Zürich hatten vergangenen Oktober die zunehmende Lichtverschmutzung anhand von Satellitendaten in der Region ausgewertet: so würden pro Jahr rund fünf Prozent mehr elektrifizierte Hotspots hinzukommen.