GESELLSCHAFT
WHO: Tuberkulose auf Rekordhoch
Baku, 5. November, AZERTAC
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat gestern ihren aktuellen Bericht zur Tuberkulose veröffentlicht. Dieser zeigt eine besorgniserregende Zunahme der Neuinfektionen. Im Jahr 2023 wurde bei rund 8,2 Millionen Menschen weltweit Tuberkulose neu diagnostiziert – so viele wie noch nie seit Beginn der WHO-Aufzeichnungen im Jahr 1995. Dieser Anstieg von 7,5 Millionen im Vorjahr lässt Tuberkulose (TB) wieder zur häufigsten tödlichen Infektionskrankheit weltweit werden, nachdem COVID-19 zwischenzeitlich die höchsten Todeszahlen aufwies.
Der Bericht "Global Tuberculosis Report 2024" der WHO dokumentiert Fortschritte und Herausforderungen im Kampf gegen TB. Eine wesentliche Hürde dabei bleibt die unzureichende Finanzierung, die den weltweiten Einsatz gegen die Krankheit erheblich beeinträchtigt. Während die Zahl der TB-bedingten Todesfälle von 1,32 Millionen in 2022 auf 1,25 Millionen in 2023 leicht zurückging, stieg die Anzahl der TB-Neuerkrankungen weltweit auf geschätzte 10,8 Millionen.
WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus drückte seine Bestürzung aus: „Tuberkulose fordert immer noch Millionen Leben, obwohl wir die nötigen Mittel zur Verhinderung, Diagnose und Behandlung besitzen. Die WHO ruft alle Länder auf, ihre Zusagen einzulösen und diese Möglichkeiten konsequent zu nutzen, um Tuberkulose zu besiegen.“
Besonders betroffen: Indien, Indonesien, China - Tuberkulose trifft in besonderem Maße Menschen in 30 Ländern mit hoher Krankheitslast. Allein Indien, Indonesien, China, die Philippinen und Pakistan tragen zusammen 56 % der weltweiten TB-Fälle. Der WHO-Bericht zeigt, dass 55 % der Erkrankten Männer, 33 % Frauen und 12 % Kinder und Jugendliche sind. Die Lücke zwischen geschätzten und tatsächlich gemeldeten TB-Fällen wurde laut WHO auf etwa 2,7 Millionen verringert, was nach pandemiebedingten Rückschlägen einem gewissen Fortschritt entspricht. Dies zeigt, dass TB-Dienste vielerorts wieder gestärkt wurden, lautet die Erklärung der WHO. Die Versorgung mit präventiven TB-Behandlungen konnte insbesondere für HIV-Infizierte verbessert und für Haushaltskontakte von TB-Patienten ausgeweitet werden.
Die Gefahr von multiresistenter Tuberkulose (MDR/RR-TB) sei weiterhin alarmierend, mahnt die WHO. Die Erfolgsrate der Behandlung für solche Fälle liege inzwischen bei 68 %, doch wurde 2023 nur 44 % der geschätzt 400.000 Menschen mit MDR/RR-TB diagnostiziert und behandelt.
Finanzierungsengpässe erschweren TB-Bekämpfung - Die globale Finanzierung zur TB-Prävention und -Behandlung ist 2023 ist erneut zurückgegangen und liegt weit unter den angestrebten Zielen, so die WHO. Die Mehrheit der betroffenen Menschen lebt in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen, die von erheblichen finanziellen Engpässen betroffen sind. Von den benötigten 22 Milliarden US-Dollar standen 2023 weltweit nur 5,7 Milliarden zur Verfügung – ein Anteil von lediglich 26 % des globalen Ziels. Die jährlichen internationalen Beiträge in Höhe von etwa 1,1 bis 1,2 Milliarden US-Dollar reichen nicht aus, um die Versorgung zu gewährleisten, heißt es im WHO-Bericht. Eine verstärkte finanzielle Unterstützung sei entscheidend für den Erfolg der TB-Bekämpfungsmaßnahmen.
Hauptrisikofaktoren: Unterernährung, HIV-Infektionen, Alkoholmissbrauch, Rauchen und Diabetes - Der aktuelle Bericht schätzt erstmals den Anteil an TB-betroffenen Haushalten, die aufgrund hoher Behandlungskosten über 20 % ihres jährlichen Einkommens aufwenden müssen. Rund die Hälfte aller TB-betroffenen Haushalte in Entwicklungsländern ist von diesen Belastungen betroffen. Unterernährung, HIV-Infektionen, Alkoholmissbrauch, Rauchen und Diabetes zählen zu den Hauptrisikofaktoren für Tuberkulose. Der Bericht fordert gezielte Maßnahmen zur Risikominderung und hebt die Notwendigkeit eines sektorübergreifenden Ansatzes hervor, um Armut und andere soziale Faktoren zu adressieren.
Dr. Tereza Kasaeva, Direktorin des globalen Tuberkulose-Programms der WHO, verdeutlichte: „Wir stehen vor enormen Herausforderungen: Finanzierungsdefizite, hohe finanzielle Belastungen für die Betroffenen, Klimaveränderungen, Konflikte, Migration, Pandemien und multiresistente Tuberkulose – ein wesentlicher Faktor der antimikrobiellen Resistenz.“ Eine breite Zusammenarbeit aller Akteure und Sektoren sei unerlässlich, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.
Die WHO fordert Regierungen, globale Partner und Spender dringend auf, die beim UN-Treffen 2023 gemachten Verpflichtungen in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Insbesondere die Finanzierung von Forschung, einschließlich der Entwicklung neuer Impfstoffe, sei entscheidend, um Fortschritte zu beschleunigen und die gesetzten Ziele für 2027 zu erreichen, lautet der Appell der WHO.