WELT
Zahl der Toten im Mittelmeer liegt dieses Jahr bei 1.000
Lampedusa, den 4. Oktober (AZERTAG). Die Toten vom Lampedusa sind nicht die Ersten und sie werden wohl nicht die Letzten sein. Zu einträglich ist das Geschäft skrupelloser Schlepper.
133 Tote, dazu 200 Vermisste, die kaum lebendig geborgen werden dürften – dies ist die Bilanz einer der schlimmsten Flüchtlingstragödien, die sich in den letzten Jahren auf dem Mittelmeer ereigneten. Schauplatz wieder einmal: die kleine Insel Lampedusa. 20 Quadratkilometer Felsen zwischen Europa und Afrika, ein Synonym für die latente Flüchtlingskrise der EU.
„Einen Horror“ nennt das Giusi Nicolini, seit 2012 die Bürgermeisterin von Lampedusa, wo allein seit ihrem Amtsantritt annähernd 20.000 Armuts- und Bürgerkriegsflüchtlinge an Land gingen. Von einer „Schande“ sprach der Papst, der im Juli mit seinem viel beachteten Antrittsbesuch auf der Insel das Thema zurück auf die Agenda der internationalen Medien brachte. Beide Begriffe haben ihre Berechtigung. Das Wort „Unglück“ hingegen wird den Ereignissen vor der Insel nicht gerecht. Der Begriff legt nahe, es handele sich bei der Massenpanik um ein zwar grausames, aber gleichsam zufälliges Szenario. Doch genau das ist es nicht – unabhängig davon, ob der Brand auf dem Flüchtlingsboot durch einen Kurzschluss verursacht wurde oder durch Decken, die Migranten anzündeten, um auf sich aufmerksam zu machen.
Erst zwei Tage zuvor ertranken 13 Bootsflüchtlinge, deren Schiff vor Sizilien auf Grund gelaufen war, beim Versuch, ans Ufer zu schwimmen. Den gleichen Tod starben im August sechs junge Syrer. Ein italienischer Behördenvertreter schätzte im September, die Zahl der Toten im Mittelmeer läge dieses Jahr bei „vielleicht 1.000“.
Neben den Afrikanern versuchen in den letzten Monaten auch immer mehr Syrer von Libyen aus den Sprung nach Europa. 8.000 Euro verlangen die Schlepper, anders als bei Afrikanern, die meist nur 1.000 Euro für eine Überfahrt zahlen müssen. Meist laufen die Boote die sizilianische Ostküste an, aber auch auf Lampedusa landen viele.
Giusi Nicolini, die Bürgermeisterin, wollte sich dieser Herausforderung immer stellen. „Lampedusa ist es gewöhnt", kommentierte sie kürzlich noch die neue Welle aus Syrien, und betonte wie immer, die Insel müsse die Bootsflüchtlinge ebenso aufnehmen wie die Touristen. Nun hat sich ausgerechnet vor dem beliebtesten Strand Lampedusas seine größte Katastrophe ereignet.