WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Forscher bauen Facettenauge nach
Baku, den 2. Mai (AZERTAG). Schau mir ins Facettenauge. Eine neue Kamera aus 180 einzelnen Linsen imitiert das Sehorgan von Insekten. Sie bietet ein riesiges Sichtfeld und eine beinahe unendliche Schärfentiefe - ist aber noch recht lichtschwach. Doch auch das ließe sich wohl ändern.
Eine Linse, ein Bild - für Fotografen ist die Rechnung normalerweise ganz einfach. Und dass wir Menschen - so wie die meisten Wirbeltiere - zwei Augen haben, setzt auf ein ähnliches Prinzip - nur dass zwei Bilder eben dabei helfen, Dinge auch dreidimensional gut wahrzunehmen. Insekten und viele andere Tierarten haben dagegen zusammengesetzte Augen - und die haben US-Forscher nun zum Bau einer ganz besonderen Weitwinkel-Kamera ohne Verzerrungseffekt inspiriert.
Mit 180 Einzellinsen entspreche die Konstruktion zum Beispiel der Leistungsfähigkeit eines Borkenkäfer-Auges - mit großem Sichtfeld, hoher Bewegungsschärfe und praktisch unendlicher Schärfentiefe, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.
Das Problem heutiger Weitwinkel-Linsen - zum Beispiel in Fisheye-Objektiven - ist oft eine unübersehbare Verzerrung an den Bildrändern. Das liegt daran, dass Licht durch die halbkugelförmige Linse auf die flache Oberfläche des fotoelektronischen Sensors fällt. Um dieser Verzerrung entgegenzuwirken, suchten die Wissenschaftler um John Rogers von der University of Illinois nach Vorbildern in der Natur - und wurden bei Insekten fündig. Deren Facettenaugen bestehen aus einer großen Anzahl von Einzelaugen, sogenannten Ommatidien.
Dehnbare Elektronik und Microlinsen - Beim Sehen sind die Bilder zwar nicht ganz so hoch aufgelöst wie bei Säugetieren, aber dafür ist das Sichtfeld sehr viel breiter. Auch die Bewegungsempfindlichkeit ist größer - und vor allem die Schärfentiefe nahezu unendlich. Das Geheimnis der neuen Kamera ist nun, dass sie Facettenaugen imitiert - und dafür mit 180 Einzellinsen arbeitet. Jede steuert dabei ein Pixel zum Gesamtbild bei. Der Clou ist aber, dass jeder elektronische flache Sensor ebenfalls linsenförmig aufgebogen werden kann und damit den Verzerrungseffekt aushebelt.
Als Material wählten die Forscher dehnbare Elektronik und Microlinsen aus einem dünnen Film - ähnlich wie Kontaktlinsen. Die ganze Konstruktion kann flach wie ein Brett sein, sich aber auch halbkugelförmig in die Höhe wölben - bis hin zu einem 3D-Effekt. Kleine schlangenförmige Drähtchen halten die Kamera zusammen.
Nach diesem ersten Erfolg wollen die Wissenschaftler nun auch Motten- oder Hummeraugen als Vorbilder ins Visier nehmen. Fotografen sollten sich aber noch keine allzu große Hoffnung machen: Die kommerzielle Produktion solcher Insektenaugen-Kameras könne noch viele Jahre dauern, so die Entwickler.
In einem Begleitkommentar in „Nature“ schreiben Alexander Borst und Johannes Plett vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried, die Neuentwicklung könne zum Beispiel bei der Steuerung unbemannter Mini-Flugzeuge zum Einsatz kommen. Wegen der bisher geringen Lichtstärke sei es aber bedenkenswert, gleich mehrere Detektoren unter einer Linse zu platzieren - und so mehr Photonen aufzufangen.