WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Forscher entdecken magnetische Sinneszellen
Baku, den 10. Juli (AZERTAG). Wie finden Tiere über Tausende Kilometer ihren Weg? Seit langem suchen Forscher nach dem inneren Kompass - nun melden sie einen Durchbruch: In Forellen haben sie magnetische Nervenzellen entdeckt.
Viele Tiere finden sich in unbekannten Regionen problemlos zurecht: Vögel, Fische, Meeresschildkröten, aber auch Rehe, Hirsche und Kühe - sie alle orientieren sich am Magnetfeld der Erde. Wo aber ihr Kompass sitzt, war bisher weitgehend unklar.
Forscher haben nun bei Regenbogenforellen die entsprechenden Sinneszellen gefunden, berichten sie im Wissenschaftsmagazin „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS). Die Forellen sind nahe Verwandte der pazifischen Lachse, die 2000 Meilen weit durchs Meer zu ihrem Heimatfluss zurückkehren.
Die Zellen seien in der Riechschleimhaut gefunden worden, sagt der Leiter der Studie, Michael Winklhofer von der Ludwig-Maximilians-Universität. Sie enthielten das magnetische Eisenoxid-Mineral Magnetit. In den Zellen wird die Information über das Magnetfeld in einen Nervenreiz umgewandelt, der wiederum dem Tier die Richtung weist.
Nur eine von 10.000 Zellen sei magnetisch. „Das ist der Grund, warum man lange keine großen Fortschritte gemacht hat bei der Suche: Weil es furchtbar wenige Zellen sind“, sagt Winklhofer. „Die Suche nach magnetischen Sinneszellen ist wie die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.“
Rückschlag im April-Dass Tiere Richtungsinformationen aus dem Erdmagnetfeld gewinnen können, war bekannt. Vor fast 50 Jahren, 1963, erkannte der Frankfurter Zoologe Wolfgang Wiltschko, dass sich Zugvögel so orientieren. Wie der innere Kompass funktioniert, war zunächst unklar.
Die Forscher fanden aber immer mehr Tiere, die sich nach dem Magnetfeld richten: Krebse, Fische, Rehe - und natürlich Brieftauben. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher aus Frankfurt und München in der Schnabelhaut der Taube nanometergroße Partikel aus Eisenoxid. Weitere Untersuchungen erhärteten die Vermutung: Das sind die gesuchten Magnetrezeptoren.
Eine Veröffentlichung im April im Wissenschaftsmagazin „Nature“ indes brachte das Konzept ins Wanken: Eine Forschergruppe um David Keays von der Universität Wien hatte festgestellt, dass die eisenmineralhaltigen Zellen in den Schnäbeln von Tauben wohl keine Nervenzellen sind, sondern eher Immunzellen, zuständig für die Bekämpfung von Keimen. Damit schien wieder alles in Frage zu stehen.
Den Münchner Forschern gelang es nun erstmals, ganze Zellen mit dem magnetischen Eisenoxid Magnetit aus Gewebe der Forellen zu isolieren und abzusaugen - und den Magnetismus nachzuweisen. Mit Hilfe eines rotierenden Magnetfeldes regten sie die magnetischen Zellen zu einer Drehbewegung an, die nicht magnetischen Zellen ruhten dabei.
Der Fund der Zellen sei die Voraussetzung, die Zellbiologie und damit auch die zuständigen Gene zu identifizieren. „Das ist ein ganz wichtiger Schritt“, sagt Winklhofer. Sei die Genstruktur klar, könne sie mit dem menschlichen Genom verglichen werden. „Wir Menschen haben keinen Magnetsinn oder sind uns zumindest keines solchen bewusst. Aber es kann natürlich sein, dass unsere Vorfahren das noch hatten. Vielleicht haben wir auch Zellen, die Magnetit bilden.“