Forscher finden Hinweis auf Wikinger-„Sonnenstein“
Baku, den 7. März (AZERTAG). Sagenumwobene „Sonnensteine“ sollen die Wikinger vor der Erfindung des Kompasses sicher über die Meere geführt haben. Französische und britische Forscher sind nun überzeugt, im Wrack eines gesunkenen britischen Segelschiffs aus dem 16. Jahrhundert einen solchen Kristall gefunden zu haben.
Die Forscher berichten in ihrer Studie, die sie in der britischen Fachzeitschrift „Proceedings“ veröffentlichten, der Kristall sei wie vermutet aus dem Mineral Calzit. Mit dem Kristall habe sich vermutlich der Stand der Sonne auch bei Wolken und sogar eine Weile nach Sonnenuntergang feststellen lassen.
Seit Jahrzehnten wird über solch transparente „Sonnensteine“ spekuliert, die den Wikingern dabei geholfen haben sollen, mit ihren Schiffen Tausende von Kilometern in Richtung Island und Grönland zurückzulegen und vermutlich lange vor Christoph Kolumbus Amerika zu entdeckten. Einen Beweis für die Existenz solcher Steine gab es aber nicht.
Im November 2011 berichteten Forscher um Guy Ropars von der Universität Rennes in der Bretagne von dem Fund eines Kristalls in einem britischen Schiffswrack im Ärmelkanal, der in ihren Augen die Theorie erhärtet, dass solche „Sonnensteine“ tatsächlich genutzt wurden.
Stein verfügt über besondere Eigenschaften - Über eine chemische Analyse eines kleinen Teils des Kristall wies eine Forschergruppe um Ropars nun nach, dass der gefundene, rund fünf Zentimeter lange Stein ein Calzit ist. Der auch Kalkspat oder Doppelspat genannte Kristall kommt in Skandinavien häufig vor. Abhängig vom Fundort kann Calzit unter Einwirkung von UV-Licht blau, gelb oder rot fluoreszieren.
Mit einem ähnlich beschaffenen Kristall, wie jenem aus dem Schiffswrack, konnten die Forscher auch bei schwachem Sonnenlicht den Stand der Sonne mit großer Genauigkeit feststellen. Dies gelang sogar 40 Minuten nach Sonnenuntergang. „Für uns gibt es keine Zweifel: Calzit ist magisch“, sagte Ropars.
Auch die legendären Seefahrer nutzten vermutlich Calzit, um die genaue Position der Sonne auszumachen und sich daran zu orientieren. Bekannt ist, dass die Wikinger auch unter den widrigsten Wetterverhältnissen mit ihren Schiffen Tausende von Kilometern in Richtung Island und Grönland zurücklegten.
Calzit bricht Sonnenlicht in Abhängigkeit von seiner Position zur Sonne. Wer durch den transparenten Stein blickt, sieht zwei unterschiedlich starke Lichtbündel des Sonnenlichts, einen ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl.
Position der Sonne lässt sich genau bestimmen - Durch Drehen des Calcits, der wegen dieser zweifachen Brechung der Lichtbündel auch Doppelspat genannt wird, kann eine Position erreicht werden, in der die Intensität beider Lichtbündel gleich stark ist. In diesem Moment zeige der Stein genau die Richtung der Sonne an. Selbst bei geringem Sonnenlicht oder bei Nebel sei es möglich, mit Hilfe des transparenten Steins die Position der Sonne zu bestimmen.
Nach Überzeugung der Forscher haben die Wikinger diese Methode auch noch verwendet, nachdem der Kompass erfunden wurde. Dass der „Sonnenstein“ im 16. Jahrhundert - und damit Jahrhunderte nach Erfindung des Kompasses - an Bord eines britischen Schiffes mitgeführt wurde, erklären die Wissenschaftler damit, dass über die Funktionsweise von Kompassen damals noch wenig bekannt war.
Weil eine Kompassnadel in der Nähe von Kanonen, die an Bord waren, stark ausschlägt, könnte der „Sonnenstein“ als zweites Navigationsinstrument gedient haben.