WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Wärme kommt in Zukunft aus Decken und Wänden
Baku, den 11. Februar (AZERTAG). Hat der gute alte Heizkörper bald ausgedient? Spezielle Materialien in Decken und Mauern können die Energiekosten zum Beheizen von Wohnungen deutlich verringern.
Spezielle Materialien in Decken und Mauern können die Energiekosten zum Beheizen von Wohnungen sowie für den Betrieb von Kühlschränken und Geschirrspülern deutlich verringern. Außerdem sollen sie als leistungsfähige Analog-Speicher herkömmliche Festplatten ersetzen.
Kühle oder warme Luft soll künftig ganz automatisch aus den Wänden sickern. Heizungen oder Klimaanlagen müssen dann nur noch selten eingeschaltet werden, um die Raumtemperatur konstant zu halten. Solche Latentwärmespeicher, in der Fachsprache Phase Change Materials (PCMs) genannt, können aber noch mehr: In Kleidung eingewebt, wärmen oder kühlen sie den Träger - je nachdem, ob ihm kalt oder warm ist. Und sie sollen herkömmliche digitale Speicherchips ersetzen.
Erwärmt sich die Umgebungsluft solcher PCMs, schmilzt das Material und nimmt dabei Wärme aus der Luft drum herum auf. Sinkt die Umgebungstemperatur, wird der Stoff flüssig und gibt die vorher gespeicherte Wärme wieder ab. Die Materialien können viel Energie in einer geringen Masse speichern und langsam wieder abgeben.
Zu den PCMs gehören Salzhydrate, Zuckeralkohole und organische Materialien wie Paraffine und Fettsäuren. Sie können als Fasern, Gel oder als Pulver produziert werden. In winzige Kapseln gepresst, die nur wenige Tausendstelmillimeter klein sind, lassen sie sich Putz, Mörtel, Estrichen, Gipsplatten, Beton und auch Holz beimischen und so in Decken, Wände oder Fußböden integrieren.
Ein Beispiel dafür ist das von BASF entwickelte Micronal, das bei einer Raumtemperatur von 26 Grad Celsius schmilzt und dem Raum Wärme entzieht, um sie nachts wieder abzugeben, wenn sich das Wachs in den Minikapseln erneut verfestigt (siehe Grafik).
So bleibt die Temperatur in den Räumen automatisch konstant. Bei Micronal sind Millionen winzige Wachstropfen in einer nahezu unzerstörbaren Hülle aus Acrylglas eingeschlossen. Wegen ihrer geringen Größe bleiben die Kapseln zumeist unversehrt, wenn jemand die damit gefüllten Gipsplatten zersägt oder in die Wände bohrt.
Derzeit wird ein Gebäude der University of Washington in Seattle mit Wänden gebaut, in denen der von Phase Change Energy Solutions entwickelte Stoff bioPCM, eine Mischung aus Pflanzenölen, eingearbeitet ist. Die Energiekosten für das 7000 Quadratmeter große Gebäude sollen um 98 Prozent sinken, haben Techniker berechnet. Die PCM-Platten sind 1,25 Zentimeter dünn, kühlen und wärmen jedoch wie 25 Zentimeter dicke Betonmauern. Die Kapseln lassen sich unbegrenzt einsetzen und verlieren auch nach Jahrzehnten nicht ihre Wirkung, so der Hersteller.
Besonders effektiv sind PCM-Materialien in Büro- und Schulgebäuden mit großen Glasflächen sowie in Leichtbau-Gebäuden, die oft nur schlecht gedämmt sind. In Regionen, in denen sich die Luft nachts kaum abkühlt, müssen Klimaanlagen die PCMs herunterkühlen. Ansonsten können die Kapseln am folgenden Tag keine Wärme absorbieren.